Vier schwerwiegende Fälle in 2023

Tod oder schwerer Schaden nach Medikationsfehler

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Berlin -

Gutachter der Krankenkassen führen im vergangenen Jahr 75 Todesfälle auf Behandlungsfehler von medizinischem Personal zurück. Das sind neun weniger als im Vorjahr, wie der Medizinische Dienst (MDK) bei der Veröffentlichung seiner Jahresstatistik mitteilte. Er fungiert als Begutachtungsdienst für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherungen. Unter den Todesfällen oder schweren Schäden gingen 2023 vier Fälle auf Medikationsfehler zurück.

Insgesamt erlitten Patienten wegen eines Behandlungsfehlers demnach in 2679 Fällen einen Schaden. Damit stellen die nachgewiesenen Behandlungsfehler nur einen Bruchteil aller Behandlungen in Deutschland dar. Für Patienten sind die Fehltritte des medizinischen Personals dennoch oft folgenschwer – in knapp 30 Prozent der Fälle erleiden die Patienten einen dauerhaften Schaden.

Bei 151 Fehlern handelte es sich laut dem Dienst um „Never Events“, also Versehen, die laut Gutachtern niemals passieren dürften. Dazu zählen die Verwechslung von Patienten, zu operierenden Körperteilen oder Medikamenten. Auch Gegenstände, die Ärzte nach Operationen unbeabsichtigt im Körper zurückgelassen hatten, registrierten die Gutachter. Besonders gravierend war im vergangenen Jahr beispielsweise der Fall einer 39-Jährigen, die wegen einer Zyste operiert werden sollte, bei der versehentlich aber eine Sterilisation durchgeführt wurde.

Zu diesen „Never Events“ zählen auch vier in 2023 gezählte Fälle von Tod oder schwerem Schaden durch einen Medikationsfehler. Darunter fallen die Gabe eines falschen Arzneimittels, die falsche Dosis, der falsche Patient, Gabe zum falschen Zeitpunkt, eine falsche Applikationsgeschwindigkeit, eine falsche Zubereitung oder auch ein falscher Applikationsweg. Den größten Posten nehmen hier aber bei 62 der 151 gemeldeten „Never Events“ von hochgradigem Dekubitus (Druckgeschwür) ein, die während eines stationären Aufenthaltes erworben wurden, gefolgt von 39 Fällen zurückgelassener Fremdkörper während einer OP.

Medikationsfehler könnten von Patientinnen und Patienten im Vergleich zu Fehlern bei chirurgischen Eingriffen schlechter erkannt werden, heißt es vom Medizinischen Dienst zur Quote. Daher komme es auch zu weniger Vorwürfen und die Fälle seien schwieriger nachzuweisen.

Meldepflicht gefordert

„Wenn solche Fehler passieren, dann bestehen Risiken im Versorgungsprozess, denen systematisch nachgegangen werden muss, um sie in Zukunft zu vermeiden und Schaden an Patienten zu verhindern. Um solche Ereignisse zu verhindern, brauchen wir eine Meldepflicht“, fordert der Vorstandschef des MDK, Dr. Stefan Gronemeyer. Da es diese in den Krankenhäusern aktuell nicht gibt, erfasst die Statistik nur Fälle, die auf die Initiative der Patienten zurückgehen.

„Unsere Begutachtungszahlen zeigen nur einen sehr kleinen Ausschnitt des tatsächlichen Geschehens“, erläutert Gronemeyer. „Aus wissenschaftlichen Untersuchungen ist bekannt, dass die Dunkelziffer deutlich höher liegt: Fachleute gehen davon aus, dass es in etwa 1 Prozent aller stationären Behandlungen zu Fehlern und vermeidbaren Schäden kommt. Demnach sind jedes Jahr 168.000 Patientinnen und Patienten davon betroffen. Die Experten gehen von circa 17.000 fehlerbedingten, vermeidbaren Todesfällen aus.“

Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte den Umgang mit Fehlern in der Medizin scharf. „Patientinnen und Patienten werden hierzulande im Stich gelassen. Denn eine Fehlerkultur in Praxen und Pflegeheimen ist nicht existent“, äußerte der Vorstand Eugen Brysch.

Fehler zumeist aus dem Klinikbereich gemeldet

Zwei Drittel der für 2023 erhobenen Behandlungsfehlervorwürfe beziehen sich auf Leistungen in der stationären Versorgung, zumeist in Krankenhäusern (8177 Fälle) und hier auf operative Eingriffe. In ebenfalls etwa zwei Drittel der begutachteten Fälle ging es um vorübergehende Gesundheitsschäden der Patientinnen und Patienten mit notwendiger Intervention oder Krankenhausaufenthalt. Die Patienten sind jedoch vollständig genesen.

Bei etwa einem Drittel der Betroffenen wurde ein Dauerschaden verursacht, der leicht (wie eine geringe Bewegungseinschränkung oder eine Narbe), mittel (wie eine chronische Schmerzsymptomatik, eine erhebliche Bewegungseinschränkung oder die Störung einer Organfunktion) oder schwer sein kann. Als schwerer Dauerschaden gilt es, wenn Geschädigte pflegebedürftig geworden sind oder erblinden oder dauerhafte Lähmungen erleiden.

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