Tarifvertrag

Filialleiter verbünden sich

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Berlin -

Seit Jahren steigt die Zahl der Filialapotheken in Deutschland. So werden Schließungen aufgefangen und eine flächendeckende Versorgung sichergestellt. Damit wächst aber zugleich eine neue Berufsgruppe im Apothekerlager heran: die Filialleiter. Um sie will sich nicht nur die Apothekengewerkschaft Adexa intensiver kümmern.

„In der Adexa-Rechtsberatung gab es immer wieder Anfragen von Filialapothekenleitern, deren Arbeitsverträge unsere Juristinnen überprüft haben. Dabei fiel leider auf, dass gerade bei Berufsanfängern, die nicht selten direkt nach dem Praktischen Jahr eine Filiale übernehmen, die angebotene finanzielle Einstufung nicht der erhöhten Verantwortung und zeitlichen Belastung der Filialleiterposition entspricht“, beschreibt Adexa-Tarif-Expertin Tanja Kratt gegenüber APOTHEKE ADHOC die Ausgangslage. Die jungen Kolleginnen und Kollegen würden zum normalen Tarifgehalt für Apotheker in der ersten Berufsjahresgruppe eingestellt. „Das ist natürlich ein Unding.”

Weil es besonders – aber nicht nur – für den Berufsnachwuchs schwierig sei, ohne einen tariflichen Vergleichsstandard ein angemessenes Filialleitergehalt auszuhandeln, müsse hier unbedingt von den Tarifparteien eine Einstufung erfolgen, fordert die Apothekengewerkschaft, die bereits eine AG Filialleiter gebildet hat. Gesprochen hat Adexa darüber mit dem Arbeitgeberverband ADA in der letzten Verhandlungsrunde 2017, konnte aber mit ihren Forderungen damals nicht durchdringen. „Die TGL Nordrhein hat dagegen durchaus ein offenes Ohr für eine spezielle Eingruppierung in der Gehaltstabelle. Für 2018 sind entsprechende Gespräche geplant“, so Kratt.

Laut Adexa haben sich bereits Filialleiter zusammengeschlossen, um die eigenen Arbeitsbedingungen zu verbessern. „Wir werden uns mit dieser Gruppe in Kürze treffen, um über die Forderungen zu sprechen. Da die Zahl der Filialapotheken immer weiter zunimmt, kann dieser Punkt aus unserer Sicht auch wirklich nicht mehr auf die lange Bank geschoben werden“, sieht Kratt akuten Handlungsbedarf.

Apothekerin Anja Keck ist seit fast zehn Jahren Filialleiterin und kennt die Fragen dieser „neuen“ Berufsgruppe. „Offene Fragen bei den Filialleitern sind verlässliche Aussagen zum Gehalt, zur Flexibilität bei Arbeitszeiten, zur Genehmigung von Urlauben, zur Aufteilung der Nacht- und Notdienst und zur Anweisung von Überstunden.“

Aus Kecks Sicht beginnt die Unsicherheit junger Pharmazeuten in Filialleiterpositionen bereits beim Einkommen. Die Spanne der Aufschläge zum Tarifgehalt sei enorm, „zwischen 10 bis 50 Prozent, je nach Größe der Apotheke, Qualifikation des Filialleiters und dessen Kompetenzbereich“, so Keck. Bislang werden der übertarifliche Zuschlag oder andere Vergütungsmodelle sowie alle anderen Modalitäten des Arbeitsverhältnisses ausschließlich individuell verhandelt. Eine „Richtschnur“ könnte eine Erleichterung für Inhaber und Filialleiter bieten. Eine geeignete Lösung zu finden, die alle Aspekte in Betracht ziehe, liege in den Händen der Tarifparteien. Eine neue Tarifgruppe könnte laut Keck auch interessant für all jene angestellten Apotheker sein, die sich in einer „Sandwichposition“ mit großer Verantwortung befinden, wie beispielsweise den Inhaber in der Hauptapotheke eines Filialverbundes vertreten.

Klärungsbedarf besteht laut Keck auch bei Themen wie Überstunden und Notdiensten. „Sind die Überstunden zwingend mit dem übertariflichen Zuschlag abgegolten? Wie viele Notdienste hat der Filialleiter zu leisten?“ Auch Urlaub und Freizeit sind ein Thema: „Wie flexibel muss ein Filialleiter einspringen können? Kann es sein, dass für Filialleiter Urlaub nur zu unattraktiven Jahreszeiten genehmigt wird und einzelne Tage gar nicht möglich sind?“

Einen ganz wichtigen Aspekt sieht Keck in der Regelung der Arbeitszeiten: Welche Ober- und Untergrenzen für die Arbeitszeit gelten beim Filialleiter in seiner besonderen Rolle? Kann ein Inhaber mehr als die im Tarifvertrag genannte Obergrenze von 48 Stunden verlangen?

Auch die Mindestarbeitszeit wird von Region zu Region unterschiedlich gehandhabt, weil Teilzeit-Arbeitsverträge von Filialleitern von den zuständigen Aufsichtsbehörden genehmigt werden müssen. Keck: „Mal werden nur 35 Stunden als Untergrenze genehmigt, in anderen Regionen 30 Stunden oder weniger. Vor allem Inhaber würden von einheitliche Vorgaben bei der Filialleiter-Akquise profitieren. Es wäre ein Plus für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.“

Der Arbeitgeberverband ADA will von Unruhe bei den Filialleiter noch nicht gehört haben: „Ich sehe da keine Baustelle“, sagte ADA-Vorsitzender Theo Hasse. Mit der Adexa habe er über diese Themen bereits gesprochen, Hasse sieht aber die Gewerkschaft am Zug: „Der Ball liegt bei Adexa, sie muss Nachweisen, dass es bei den Filialleitern Probleme gibt.“ Darüber habe man auch im ADA-Vorstand diskutiert: „Wir sehen nicht, dass Filialleiter unzufrieden sind“, so Hasse. Jeder Apotheker wisse doch, „was er wert ist“. Die Filialleiter handelten ihr Gehalt selbst aus. Allerdings räumt Hasse ein, dass die Situation der Filialleiter „sehr unterschiedlich“ sei. „Wir werden uns daher sinnvollen Überlegungen nicht verweigern.“

Die Position des Filialleiters muss bei den Behörden angemeldet werden; dass ein Approbierter einfach so einspringt, ist nicht zulässig. Zuletzt stellte die Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands (APD) in einer Resolution noch einmal klar, dass eine Apotheke zu schließen ist, wenn kein Filialleiter benannt ist. Die Filialleitung sei Voraussetzung und Bestandteil der Betriebserlaubnis, hieß es.

Die traditionelle Einzelapotheke gibt es immer seltener: Ende 2016 gab es nach Zahlen der ABDA 12.399 Einzelapotheken, das entspricht 61,9 Prozent der Gesamtzahl. Die übrigen 7624 Apotheken befanden sich in Filialverbünden. Mit Abstand am typischsten ist die „kleine Lösung“: 2290 Hauptapotheken hatten Ende 2016 eine Filiale. 628 Inhaber betrieben zwei Filialen, 290 die Höchstzahl von drei zusätzlichen Betriebsstätten. Als Gruppe gerechnet waren damit knapp 6 Prozent aller Apotheken in einem 4er-Verbund.

2007 waren lediglich 17,1 Prozent der Apotheken in einem Filialverbund zusammengeschlossen, 2016 waren es mehr als doppelt so viele (38,1 Prozent). Der Anteil der Apotheken in 2er-Gespannen hatte sich von 12,8 auf 22,9 Prozent erhöht.Bei all dem ist zu bedenken, dass die Zahl der Apotheken insgesamt rückläufig ist.

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