Das Smartphone hat Chefs mehr Flexibilität gebracht. Fast jede dritte Führungskraft ist für den Job jederzeit erreichbar. Jede zweite (47 Prozent) reagiert nach der regulären Arbeitszeit auf berufliche Anfragen. Das zeigt eine repräsentative Studie, die das Beratungsunternehmen Mercer unter anderem mit der Technischen Universität München erstellt hat. Die ständige Erreichbarkeit kann aber zu gesundheitsschädigendem Stress führen.
90 Prozent der Führungskräfte in Deutschland sind auch im Urlaub geschäftlich erreichbar und nur ein Prozent steht nach Feierabend für berufliche Anrufe und Mails nicht zur Verfügung. Zu diesen Ergebnissen kommt die aktuelle Trendstudie „Stressfaktor Smartphone 2015“, für die mehr als 150 Führungskräfte in Deutschland befragt wurden.
Laut Studie sind 88 Prozent der befragten Führungskräfte durch die ständige Erreichbarkeit über ihre Smartphones höherem Stress ausgesetzt, 33 Prozent spüren diese Mehrbelastung häufig oder jederzeit. Damit bewegt sich das Stressempfinden 2015 auf ähnlich hohem Niveau wie 2012, als die Studie zum ersten Mal durchgeführt wurde.
Das Nutzungsverhalten der Studienteilnehmer hat sich seit 2012 jedoch deutlich verändert. Mittlerweile verwenden 81 Prozent der Führungskräfte ein und dasselbe Smartphone für berufliche und private Zwecke. Vor drei Jahren lag der Anteil bei 70 Prozent. Eine Folge: Nur ein Prozent der Befragten ist nach Feierabend für Kollegen oder Geschäftspartner nicht zu erreichen und liest auch keine arbeitsrelevanten E-Mails. Die damit verbundene Entgrenzung von Arbeits- und Privatleben führt bei etwa der Hälfte der Befragten zu einer verkürzten Regenerationszeit – mit unerwünschten Folgen.
„Neben dem erhöhten Stresslevel infolge permanenter Erreichbarkeit sprechen wir hier auch über rechtliche Fragestellungen“, sagt Professor Dr. Volker Nürnberg, Leiter Health Management bei Mercer. Das betrifft nicht nur Chefs, sondern alle Mitarbeiter: Wenn die gesetzlich vorgeschriebene Ruhezeit vom Arbeitnehmer wegen der Bearbeitung von E-Mails nicht eingehalten werde, könne der Arbeitgeber zur Verantwortung gezogen werden. „Im Extremfall zum Beispiel auch dann, wenn der Arbeitnehmer morgens auf dem Weg zur Arbeit einen Verkehrsunfall verursacht und sich dies unter anderem auf eine Nichteinhaltung der Ruhezeit zurückführen lässt“, sagt er.
Allerdings sei das Smartphone mittlerweile ein fester Bestandteil der Berufswelt und ein wichtiges Arbeitsgerät, das Arbeitnehmern und Führungskräften auch Vorteile bietet. „Durch den Zugewinn von Flexibilität und Mobilität kann das Smartphone eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen. Es liegt jedoch sowohl an den Unternehmen als auch an den Mitarbeitern, dass diese Flexibilität am Ende nicht mehr Stress als Nutzen erzeugt“, so Nürnberg.
Daher empfiehlt Nürnberg Betriebsrichtlinien, wie erreichbar ein Arbeitnehmer sein sollte und wie mit E-Mails umgegangen wird. Außerdem sollte das Unternehmen Mitarbeiter etwa in Seminaren im gesundheitsgerechten Umgang mit Smartphones schulen, ergänzt Nürnberg. Dieser Umgang sollte sich auch in der Unternehmenskultur widerspiegeln: „Wenn mein Chef von mir erwartet, seine E-Mails auch im Urlaub zu beantworten, nützt mir auch das beste Stressmanagement nichts.“
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