Diäten sind heute ein so selbstverständlicher Teil des Alltags geworden, dass deren psychologischen Mechanismen kaum noch hinterfragt werden. Doch der Blick auf das Motivationsgefüge hinter den Ernährungsregimes fördert überraschende Einsichten zu Tage, wie eine Studie des Marktforschungsunternehmens Concept m beweist.
Der Untersuchung zufolge ist die angestrebte Gewichtsreduktion in aller Regel nur die Oberfläche dessen, was die Menschen tatsächlich bewegt. Schön frühkindliche Erfahrungen mit Versorgung sind entscheidend und prägen unseren Bezug zu „Satt sein” und „Hungern”. Jeder - nicht medizinisch induzierten - Entscheidung, eine Diät zu beginnen, geht psychologisch die Einsicht voraus, dass ein idealisiertes Gleichgewicht der Physis aus der Balance geraten ist. Nun soll ein „gesundes Maß” wiederhergestellt werden.
Dieser Vorstellung liegt das Ideal einer „Problemlosigkeit des Lebens” zugrunde, das stetig von aufkommenden Störungen unterwandert wird. Diese sollen mit „Essen” (gesund oder ungesund), mit „Zusätzlich-Essen” (Nahrungsergänzungsmittel) oder eben „Nicht-Essen” in den Griff bekommen werden. Man hat eine Ahnung oder tatsächliches Wissen darüber, dass das Leben nicht mehr unbedenklich läuft - es gibt beispielsweise Krisen, Veränderungen oder Überforderungen.
„Wir haben drei unterschiedliche Diät-Typen ausmachen können”, so Rochus Winkler, Autor der Studie, für die Diät-Teilnehmer tiefenpsychologisch befragt wurden. „Nur einer davon hat nachhaltigen Erfolg. In den meisten Fällen ist das Diät-Vorhaben nur Kosmetik für die Seele.”
Am wenigsten aussichtsreich ist eine Diät demnach bei denen, die das neue Ernährungsregime selbst als Lebensumstellung betrachten. Meist fallen sie nach der „gesunden” Phase wieder in alte Muster zurück. Die möglicherweise belastenden Lebensumstände werden nicht angetastet. Typisch für diese Gruppe ist auch das Aufstellen eigener Regeln („Thunfisch-Diät”), die zum einen jederzeit angepasst und außerdem auch wieder außer Kraft gesetzt werden können.
Bessere Chancen hat derjenige, der den Verzicht nur als ersten Schritt einer grundsätzlichen Anpassung der Lebensgewohnheiten betrachtet. Die Essensumstellung wird oftmals verknüpft mit einem neuen Lifestyle (Veganismus), symbolisiert diesen und stößt weiter reichende Veränderungen an. Die Essenumstellung dient als Stütze für den gesamten Umwandlungsprozess, vorzeigbare Erfolge beflügeln weitere Schritte - Misserfolge allerdings legen den gesamten Prozess lahm.
Am größten sind die Erfolgsaussichten, wenn die Frau oder der Mann die Ernährung nur als Symptom einer grundsätzlichen Fehlentwicklung betrachtet und das Problem an der Wurzel packt. Wird eine wirkliche Lebensumstellung in Angriff genommen, leitet diese eine umfassende Neuorientierung ein, die Veränderungen in der Ernährung in einen kulturellen Zusammenhang einbettet und absichert. Dazu gehört etwa, dass in dieser Phase auch (neue) Freundschaften auf Basis der Lebensumstellung gefunden werden, die stabilisierend für das gesamte Vorhaben wirken.
Allen drei Diät-Typen ist gemeinsam, dass der Leidensdruck sich über einen längeren Zeitraum aufbaut, bis eine „Störstelle” so massiv wird, dass ein Eingriff unumgänglich erscheint. Typische Auslöser sind ein Kränkungserleben durch abwertende Äußerungen aus dem Freundes- oder Familienkreis, nicht mehr zu kaschierende körperliche Beeinträchtigungen oder ein als gravierend empfundener Verlust an (gesellschaftlichen) Auftrittsmöglichkeiten. Im Ergebnis gibt die Studie Handreichungen für Unternehmen aus den Bereichen Food, Healthcare und Lifestyle, wie eine erfolgreiche (Marken-)Kommunikation zu den entsprechenden Dienstleistungen und Produkten betrieben werden kann.
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