Überraschungsfunde bei Straßenarbeiten

St.Pölten: Apotheker hat Archäologen vor der Haustür

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Berlin -

Baustellen direkt vor der Apotheke gehören zum Nervigsten, was Apothekenteams kennen und können erheblich auf den Umsatz drücken. Inhaber Andreas Gentzsch hat es sogar noch schwerer erwischt: Als die Straße vor seiner Apotheke aufgerissen wurde, traten Überreste römischer Besiedlung, aber auch Funde aus der langen Geschichte seiner eigenen Apotheke zutage. Nun sind die Archäologen am Werk. Gentzsch nimmt es aber gelassen und ist sogar gespannt auf die Erkenntnisse der Forscher.

Gentzsch gehört ein wahrlich historischer Betrieb: Seit 1642 gibt es seine Löwen-Apotheke. Sie ist das älteste noch bestehende Geschäft in St. Pölten. Die Geschichte der Kremser Gasse, in der sie liegt, reicht aber noch einmal bedeutend weiter zurück. Denn schon die Römer haben hier gelebt. Dort, wo heute St. Pölten liegt, lag bis etwas 450 n.Chr. Aelium Cetium, Zentrum der römischen Provinz Noricum und eine der größten nördlichen Städte des Römischen Imperiums.

Wie vielerorts haben die Römer auch hier ihre Spuren hinterlassen – und die traten nun erneut hervor, als die Kremser Gasse aufgerissen wurde, um Strom- Gas- und Wasserleitungen zu erneuern. Unter der Straße fanden die Bauarbeiter 22 römische Mauerabschnitte, die zu sieben verschiedenen Räumen gehörten. Zu wie vielen Häusern diese Räumlichkeiten gehörten, ist nach Aussage von Stadtarchäologe Ronald Risy noch unbekannt. Dafür ist schon recht bekannt, wie die Römer dort lebten, nämlich ziemlich luxuriös. In rund anderthalb Metern Tiefe gruben die Archäologen spätantike Heizkanäle aus, die kreuz und quer unter den Räumen angelegt waren. Die Römer wussten bereits, wie man eine Fußbodenheizung baut.

Zudem kamen 54 Münzen zum Vorschein, 44 davon in einer Schicht verstreut. Risy vermutet, dass sie vorher zusammen in einem Geldbeutel waren. Doch nicht nur die alten Römer hinterließen vor Gentzschs Apotheke ihre Spuren, auch seine Vorgänger. Denn vor der Apotheke wurde ein historischer Abwasserkanal gefunden, der vor 200 Jahren wohl noch anders genutzt wurde, als man es heute täte.

40 teilweise unversehrte Glasfläschchen fanden die Archäologen dort. Offenbar hatte ein Vorgänger Gentzschs die einfach in der Kanalisation entsorgt. „Offensichtlich haben die damals schon gemacht, was wir heute noch machen: einfach alles in den Kanal schmeißen“, sagt Gentzsch im Scherz. Dabei handelt es sich durchaus um kleine Schmuckstücke. „Die haben dort lauter Schätze gefunden, kleine mundgeblasene Glasfläscherl“, sagt er. „Es war für mich auch erstaunlich, das zu sehen.“ Denn Gentzsch legt Wert auf die Geschichte seines Betriebes, er sammelt und erhält selbst auch historische Gegenstände aus der Apotheke. „Von den alten Stücken, die ich hier sammele, habe ich aber nur wenige von der Qualität, die da jetzt gefunden wurden.“

Was einst in den Fläschchen abgefüllt wurde, lasse sich wahrscheinlich nicht mehr zweifelsfrei feststellen, sagt Gentzsch. Er selbst sei aber schon gespannt auf die Ergebnisse der Untersuchungen und habe auch vor, sich mit den Archäologen zu treffen, um mehr zu erfahren.

Vielleicht ist es auch die eigene Begeisterung für das Thema, die Gentzsch so gelassen auf die Behinderung seines Betriebes durch die Baustelle reagieren lässt. „Es war schon notwendig, dass die die Straße aufreißen, denn das Pflaster war auch am Ende seiner Lebenszeit angekommen“, zeigt er sich verständnisvoll. Manch ein Inhaber hätte sich wohl ganz besonders über das Timing geärgert: Die Covid19-Pandemie ist ohnehin ein harter Schlag für Geschäft in Fußgängerzonen. Nicht abwegig zu befürchten, dass die Baustelle der Apotheke den Rest gibt. Doch Gentzsch sieht ganz im Gegenteil das Positive daran: „Ich bin trotzdem froh, dass es heuer im Coronajahr gemacht wird und nicht nächstes Jahr, wenn die Kunden wiederkommen.“ Er versuche das Beste draus zu machen und hat Plakate an den Bauzäunen aufgehängt, um auf die Apotheke hinzuweisen. „Man muss es positiv sehen“, sagt er. „Wenn die Leute in den Nachrichten von den archäologischen Funden lesen, ist das vielleicht auch eine gute Werbung für uns.“

 

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