Stern TV und Glaeske warnen vor Fluorchinolonen APOTHEKE ADHOC, 08.02.2018 15:03 Uhr
Zu oft, zu viel und zu gefährlich: Stern TV zeigte gestern einen Beitrag zu Fluorchinolonen. Zu Gast war eine Patientin, für die nach der Einnahme von Ciprofloxacin ein normales Leben nicht mehr möglich ist. Die Runde komplett machte Professor Dr. Gerd Glaeske.
Das Antibiotikum habe das Leben der 35-jährigen Frau zerstört, hieß es im Beitrag. Eine Heilung der durch schwere Nebenwirkungen ausgelösten Nervenschäden sei nicht in Sicht. Erschöpfung, Schwindel, Schmerzen und Nervenschäden sind die ständigen Begleiter der jungen Frau, nachdem sie vor etwa eineinhalb Jahren mit Ciprofloxacin aufgrund einer Blasen- und Nasennebenhöhlenentzündung behandelt wurde. Dann folgte der Zusammenbruch. „Weil meine Magen-Darm-Passage nicht mehr funktioniert, kann ich nicht mehr normal essen und trinken und habe unvorstellbare Schmerzen", berichtet sie. Aufgrund eines massiven Nährstoffmangels seien Haare und sogar Zähne ausgefallen. Heute ist die einst lebenslustige und sportliche Frau arbeitsunfähig.
Für die Physiotherapeutin war klar, die Probleme müssen mit dem Antibiotikum zusammenhängen. Bei der verschreibenden Ärztin traf sie jedoch auf taube Ohren: „Sie sagte, ich müsse mich täuschen, das sei ein sehr gut verträgliches Antibiotikum.“ Dennoch lassen sich alle Beschwerden der jungen Frau in der Gebrauchsinformation des Antibiotikums nachlesen.
Der Marktanteil der Fluorchinolone liege bei etwa 16 Prozent, für Glaeske ist diese Zahl viel zu hoch. „Wir haben die in den 80er-Jahren noch Panzerschrankantibiotika genannt, die nur rauskamen, wenn man es sonst nicht in Griff bekam“, so der Pharmakologe. Angesichts der heutigen Verordnungszahlen kann von Panzerschrankantibiotika keine Rede sein. „Wir sind uns alle darüber einig, dass man diese Mittel unbedingt braucht – aber eben nicht für Indikationen, die wir mit anderen Antibiotika behandeln können“, so Glaeske, der zugleich die Verschreibungspraxis der Ärzte kritisiert und mehr Aufklärung fordert. Mediziner müssten sich fortbilden und stets auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand sein. „Die Aufklärung über Arzneimittel ist lückenhaft. Ein Arzt müsste die Nebenwirkungen ansprechen. Das passiert viel zu selten. Und ein Arzt kann sich nicht darauf berufen, dass der Patient sich selbst informiert“, so Glaeske.
Der Pharmakologe untermauert die fehlerhafte Verschreibungspraxis anhand einer Studie der Universität Bremen. Glaeske und sein Team stellten fest: Etwa die Hälfte der Frauen, die an einer Blasenentzündung leiden, werden mit einem Fluorchinolon behandelt – obwohl Alternativen bestehen und die Gyrasehemmer als Reserveantibiotika gelten. Die Stoffgruppe ist die am vierthäufigsten verordnete unter den Antibiotika. Dabei ist die bei Patienten mit Sinusitis, Otitis, Bronchitis und unkomplizierten Harnwegsinfektionen nur Mittel der letzten Wahl, wenn alle anderen Antibiotika versagen.
Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) warnt ebenfalls seit Längerem vor den Fluorchinolonen. Den Breitbandantibiotika wird ein starkes Nebenwirkungspotential zugesprochen, mitunter sind bleibende Schäden und lebenslange Beeinträchtigungen die Folge.
Dass Fluorchinolone Sehnenschäden in Form von Entzündungen oder Rissen verursachen können, ist bereits seit den 60er-Jahren bekannt und wurde in die Produktinformationen aufgenommen. Die Ruptur der Achillessehne wird dabei als besonders gefährlich angesehen und tritt mit erhöhtem Risiko bei älteren Personen ab dem 60. Lebensjahr auf. Die unerwünschte Arzneimittelwirkung kann bereits wenige Stunden nach der Einnahme auftreten oder bis zu vier Wochen nach Therapieende. In Deutschland sind Ciprofloxacin, Norfloxacin, Enoxacin, Ofloxacin, Levofloxacin und Moxifloxacin zugelassen.
Die US-Arzneimittelagentur (FDA) machte die von den Fluorchinolonen ausgehende Gefahr deutlicher. In einem Black-Box-Warning sind die möglichen Gefahren fettgedruckt in der Produktinformation klar zu erkennen. Außerdem warnte eine öffentliche Kampagne vor den Gefahren der Antiobiotika.
Fluorchinolone besitzen eine bakterizide Wirkung. Die Gyrasehemmer verhindern die DNA-Replikation grampositiver und gramnegativer Keime durch Hemmung verschiedener Topoisomerasen. Die Enzyme spielen bei der Replikation, Transkription, Rekombination und Reparatur der DNA eine entscheidende Rolle.
Dosiert wird nach Art und Schwere der Erkrankung. Florchinolone können unabhängig von den Mahlzeiten geschluckt werden, jedoch nicht zusammen mit eisen-, zink-, magnesium- oder calciumhaltigen Präparaten, da sonst eine verminderte Wirkstoffaufnahme durch die Bildung von schwer resorbierbaren Komplexen möglich ist. Betroffene sollten einen Abstand von etwa zwei Stunden einhalten – auch zu Antazida.