Auf einem meterhohen Haus in einem Gewerbegebiet im Spreewald steht eine kleine Messanlage. Das Gerät in Vetschau saugt Pollen an und prüft, wie hoch deren Konzentration in der Luft ist. Die brandenburgische Kleinstadt verspricht sich davon Erkenntnisse, ob die Bekämpfung der Ambrosia-Pflanze erfolgreich ist. Ihre Blütezeit hat jetzt vielerorts in Deutschland wieder begonnen. Für Allergiker kann das heißen: Asthma, tränende Augen, Hautrötungen. Der Klimawandel könnte nach Experten-Einschätzung das Problem in Deutschland verschärfen.
„Es ist eine Sisyphos-Arbeit“, beklagt die Vetschauer Fachbereichsleiterin (Ordnung und Soziales) Nadine Wegner, wenn sie über die Bekämpfung der Ambrosia-Pflanze spricht. Sie steht an einem Sonnenblumenfeld am Rande der Stadt in der Niederlausitz und zeigt auf den Boden. Überall ist die Ambrosia-Pflanze zu sehen. Sie sieht so ähnlich aus wie Beifuß oder Möhren-Kraut. Die Stängel haben überall weiße Haare.
Nach Angaben des bundeseigenen Julius Kühn-Instituts ist die Niederlausitz in Brandenburg deutschlandweit das von Ambrosia am schlimmsten betroffene Gebiet, danach kommt Süddeutschland. „Die Niederlausitz ist auch die einzige Region, wo Ambrosia großflächig auch als Ackerunkraut vorkommt“, sagt Experte Uwe Starfinger von dem Bundesforschungsinstitut in Braunschweig. In Baden-Württemberg und Bayern gebe es zwar auf Äckern auch einige Vorkommen. „Aber nicht in dem Ausmaß wie in der Niederlausitz.“ Sonst sei Ambrosia in Deutschland überwiegend eine Pflanze der Straßenränder und nicht bewirtschafteten Flächen in Städten.
Die Pflanze (Beifußblättriges Traubenkraut) wurde vor mehr als 150 Jahren aus Nordamerika nach Deutschland eingeschleppt. Als ein Verbreitungsweg galt seither verunreinigtes Vogelfutter.
Generell sei das Ambrosia-Vorkommen in solchen Regionen größer, in denen es vergleichsweise warm ist. „Die Pflanze ist eine einjährige Art. Das heißt, sie kann nur an derselben Stelle wieder kommen, wenn sie reife Samen produziert hat – und dafür braucht sie eine gewisse Wärme zwischen der Blüte und dem Absterben der Pflanze“, sagt Starfinger. Deshalb geht das Institut davon aus, dass der Klimawandel zu einer verstärkten Ausbreitung auch in Norddeutschland führen könnte.
Die Stadt Vetschau lässt seit Jahren viele der Pflanzen auf Äckern, Straßenrändern und sogar in Wohngebieten herausreißen, bevor sie blühen. Ein-Euro-Jobber fahren als sogenannte Scouts durch die Stadt und melden Vorkommnisse.
Wegner: „Und wir gehen auf die Bevölkerung zu und bitten Grundstückseigentümer, Ambrosia von ihren Privatgrundstücken zu entfernen.“ Mit Handschuhen und während der Blütezeit sogar mit Mundschutz. Dennoch geht die Stadt davon aus, dass sich die Lage in diesem Jahr verschärfen wird. Viele Bürger hätten schon Funde gemeldet.
Vetschau würde gerne mehr tun, aber das Geld fehlt, wie Wegner sagt. Sie fordert mehr Unterstützung vom Land. Zwar gebe es Lottomittel für Sachkosten wie das Pollenmessgerät, Arbeitsschutzkleidung oder die Entsorgungskosten. Der große Batzen mache aber die Personalkosten aus, und das könne die Stadt mit einem Haushaltsdefizit von rund vier Millionen Euro im Jahr 2016 nicht alleine stemmen. Im nahe gelegenen Drebkau, wo auch ein solches Pollenmessgerät steht, fordert man ebenfalls mehr finanzielle Hilfe vom Land.
In dieser Kleinstadt gibt es noch ein weiteres Problem: Es fehlt schlicht Personal, wie Bürgermeister Dietmar Horke (parteilos) beklagt. Bisher sei es so gewesen, dass Arbeitskräfte – finanziert über die Arbeitsförderung des Jobcenters – an Feldern und Straßenrändern Ambrosia herausgerissen hätten. Doch in diesem Jahr habe es noch keinen Einsatz gegeben. Für Horke steht deshalb fest: Ambrosia wird sich in der Stadt weiter ausbreiten.
Viele Städte in Deutschland haben die Ambrosia fest im Visier. In Berlin kartieren Scouts ihre Funde in einem zentralen Internet-Register, dem Ambrosia-Atlas. Auch andere Bürger können Vorkommen melden, auch für Brandenburg. Allerdings seien im vergangenen Jahr nur sehr wenige Scouts unterwegs gewesen, teilt das betreuende Institut für Meteorologie an der Freien Universität Berlin mit.
Die Stadt Karlsruhe in Baden-Württemberg etwa will noch stärker über die Ambrosia-Pflanze aufklären. Vor zwei bis drei Jahren sei sie auf Grünflächen und im Wald verstärkt gesichtet worden, erläutert das dortige Amt für Umwelt- und Arbeitsschutz. Seither werde das Vorkommen systematisch erfasst.
In Stadtteilen soll es demnächst Infoveranstaltungen geben, bei denen eine Modell-Pflanze gezeigt wird. Das soll helfen, Ambrosia besser zu erkennen. Und es wird nach Amtsangaben seit einiger Zeit erprobt, ob es effektiv ist, heißes Wasser auf die Pflanze zu kippen. Das soll sie samt Wurzelwerk vernichten.
In Deutschland gibt es dem Julius Kühn-Institut zufolge keine bundeseinheitliche Regelung zur Ambrosia-Bekämpfung, die es mit einer gesetzlichen Verordnung etwa Behörden ermöglichen könnte, eine Beseitigung in Städten anzuordnen. Dann müssten Eigentümer von Flächen aktiv werden, bislang geschieht das auf freiwilliger Basis, wie Starfinger erläutert.
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