Zyto-Skandal von Chemnitz

Staatsanwälte prüfen Apotheken-Einkäufe

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Berlin -

Im Zyto-Skandal von Chemnitz dauern die Ermittlungen an. Nachdem 41 Proben im Labor analysiert wurden, durchleuchten Polizei und Staatsanwaltschaft jetzt die Einkäufe der Apotheke.

In Chemnitz gibt es den Verdacht, dass Krebsmedikamente bei der Herstellung in einer Apotheke falsch dosiert wurden. Am 6. Oktober war die Apotheke in der Innenstadt durch Mitarbeiter der Landesdirektion Sachsen (LDS) als zuständiger Aufsichtsbehörde, der Staatsanwaltschaft und der Polizei durchsucht worden. Eine Reihe an Zubereitungen wurden beschlagnahmt und zur Analyse an ein externes Labor gegeben.

Bereits die ersten Zwischenergebnisse deuteten darauf hin, dass ein überwiegender Teil unterdosiert war und nur 70 bis 80 Prozent Wirkstoff enhielt. In einer Zubereitung mit Trastuzumab war sogar überhaupt kein Wirkstoff nachweisbar. In einer Probe war aber auch zu viel Wirkstoff enthalten – die Ermittler konnten sich zunächst keinen Reim darauf machen.

Mittlerweile wurden alle 41 Proben analysiert. „Die Probenergebnisse liegen der Landesdirektion Sachsen nun vollständig vor. Diese wurden Polizei und Staatsanwaltschaft für deren Ermittlungen übergeben“, so ein Sprecher der Behörde. Alle betroffenen Ärztinnen und Ärzte seien jeweils unmittelbar über das Probenergebnis ihrer Patientinnen und Patienten informiert worden. Nach früheren Informationen wurden Sterilrezepturen von der Apotheke an neun Ärzt:innen aus dem Raum Chemnitz geliefert.

Ermittlungen wegen Betrugs

Was die Analyse ergeben hat, wird nicht bekannt gemacht. Allerdings scheint sich der Verdacht erhärtet zu haben. Jedenfalls läuft das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft weiter; die Laboranalysen sind dabei nur einer von mehreren Bausteinen: „Tatsächlich konnten im Verhältnis zum Umfang der hergestellten Medikamente nur eine geringe Anzahl von Proben sichergestellt und ausgewertet werden“, so Oberstaatsanwältin Ingrid Burghart. „Gegenwärtig werden die für die Apotheke insgesamt eingekauften und verbrauchten Wirkstoffmengen ins Verhältnis zu den bei den Krankenkassen abgerechneten Wirkstoffmengen gesetzt. Auf diese Weise soll der Umfang des Schadens ermittelt werden.“ Man gehe dem Verdacht des Betrugs nach.

Bei der Behörde fürchtete man bereits im Herbst, dass es weitere Vorfälle in der Vergangenheit gegeben haben könnte. „Wir können nicht ausschließen, dass mangelhafte Medikamente in den vergangenen zwei Jahren verabreicht wurden“, so Marion Reinhardt, Referatsleiterin Pharmazie bei der Landesdirektion in Leipzig, bei der Pressekonferenz unter Berufung auf Zeugenaussagen. „Der Abgrund bleibender Unsicherheit ist tiefer und dunkler als die konkreten Vorfälle.“

Die Apotheke ist nach wie vor geöffnet, ihr wurde aber bereits im Herbst die weitere Herstellung untersagt. „Wir können noch nicht einschätzen, was der Grund für das Handeln des Apothekers war“, so Reinhardt damals. Bei den regulären Kontrollen waren im Vorfeld keine Auffälligkeiten festgestellt worden. Normalerweise prüfen die Behörden zwar bei ihren Inspektionen eher die Qualität der Herstellung. Doch ausgerechnet bei der letzten Kontrolle im August wurden laut Behörde für zwei Wirkstoffe im Rahmen einer Bilanzkontrolle sogar Einkaufs- und Liefermengen abgeglichen. „Bei dieser Kontrolle konnten wir keine Unregelmäßigkeiten feststellen“, so Behördensprecher Ingolf Ulrich im Oktober.

Der Tipp, dass es bei der Herstellung in der Apoheke womöglich nicht mit rechten Dingen zugehe, kam Ende September von einem anonymen Informanten aus der Apotheke: „Wir haben einen Hinweis aus der Mitarbeiterschaft bekommen. Ein Whistleblower hat uns über die Unregelmäßigkeiten bei der Herstellung von Zytostatika informiert“, so Ulrich.

Parallelen zu Bottrop

Der Fall weckt düstere Erinnerungen an Bottrop. Der Fall um die dortige Alte Apotheke war einer der größten Medizinskandale der Nachkriegsgeschichte – er hat juristische und politische Nachwirkungen bis heute: Im Herbst 2016 hatten zwei Mitarbeiter der Apotheke – PTA Maria-Elisabeth Klein und der kaufmännische Mitarbeiter Martin Porwoll – aufgedeckt, dass Inhaber Peter Stadtmann jahrelang Zytostatika bewusst unterdosiert, um sich selbst um einen zweistelligen Millionenbetrag zu bereichern. Es folgte eine Razzia im Betrieb und die Festnahme des Inhabers.

Im Juli 2018 hatte das Landgericht Essen Stadtmann wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz in rund 14.500 Fällen sowie Betrugs in 59 Fällen zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Außerdem wurde ein lebenslanges Berufsverbot gegen ihn verhängt. Er ging bis vor den Bundesgerichtshof, um sich gegen das Urteil zu wehren – erfolglos. Das Gerichtsverfahren war umstritten, weil ihm der mutmaßlich wahre Umfang seiner Taten nie nachgewiesen werden konnte.

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