Schwere Vorwürfe hat das ARD-Magazin Kontraste gegen den brandenburgischen Pharmahändler Lunapharm erhoben. Die Firma soll in Griechenland aus Kliniken entwendete Zytostatika in Deutschland weiterverkauft haben. Beim Transport sollen die Arzneimittel unsachgemäß gelagert worden sein. Die Staatsanwaltschaft Potsdam ermittelt, die Aufsichtsbehörde wusste davon bis vor Kurzem nichts. Die Firma bestreitet die Vorwürfe.
Der Beitrag in der ARD sei überraschend gekommen, so Geschäftsführerin Susanne Krautz-Zeitel. „Obwohl die notwendigen Auskünfte den Journalisten erteilt worden sind, haben diese entgegen ihrer journalistischen Sorgfaltspflicht die nachstehenden Tatsachen nicht oder falsch dargestellt: Wir distanzieren uns klar von den bei Kontraste getroffenen Vorwürfen.“
Krautz-Zeitel schreibt: „Ja, wir hatten eine Geschäftsbeziehung zum griechischen Lieferanten Pharmacy Ozbagzi. Diese Apotheke existiert seit 1981. Mit der Aufnahme der Geschäftsbeziehung wurde uns neben der Apothekenbetriebserlaubnis eine notariell beglaubigte Übersetzung vorgelegt. Diese belegt, dass auch der Großhandel mit Arzneimitteln nach griechischem Recht zugelassen ist. Darauf basierend bezogen wir Ware von diesem Lieferanten.“
Alle bezogenen Waren seien „in unserem Verantwortungsbereich regulär gehandelt und die notwendigen Meldungen über diese Importe an die zuständigen Behörden vorgenommen“ worden. Seit das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheit und Verbraucherschutz mitgeteilt habe, dass die vorgelegte Großhandelsgenehmigung ungültig sei, habe man von diesem Lieferanten keine Ware mehr bezogen. „Die Vorwürfe in Griechenland sind für uns neu und wir werden an der Aufklärung bestmöglich mitwirken.“
Krautz-Zeitel weiter: „Von Beginn an haben wir mit allen beteiligten Behörden auf das Engste kooperiert. Die Qualität und Unbedenklichkeit der Ware wurde anhand von Laboranalysen von Mustern durch Zulassungsinhaber und das Landeslabor Berlin-Brandenburg bewiesen. Entsprechende Analysenzertifikate liegen vor. Somit ist sichergestellt, dass zu keinem Zeitpunkt die Gesundheit der Patienten gefährdet wurde und die volle Wirksamkeit gewährleistet ist. Nochmals betonen wir zu jedem Zeitpunkt alle in Deutschland und der EU geltenden Gesetze und Regelungen eingehalten zu haben.Wir behalten uns rechtliche Schritte vor.“
Das brandenburgische Gesundheitsministerium teilte mit, dass die Sicherheit der Menschen „zu keiner Zeit gefährdet“ gewesen sei. Die Behörden überwachten den Umgang mit Arzneimitteln und die Einhaltung der Gesetze bei Herstellern, Großhändlern und Apotheken „streng und gewissenhaft“. Dies sei auch im konkreten Fall geschehen: Hinweisen polnischer Behörden am 6. Dezember 2016 sei das zuständige Landesamt (LAVG) unverzüglich nachgegangen. Denn Apotheken dürften keine Arzneimittel an Großhändler liefern. „Es ging also im Kern um einen Verstoß gegen die einzuhaltenden Lieferwege.“
Das LAVG habe unverzüglich mit den griechischen Behörden Kontakt aufgenommen und – nachdem sich am 22. März 2017 bestätigte, dass die griechische Apotheke, anders als vom deutschen Großhändler angegeben, keine Großhandelserlaubnis hatte – bei einer Inspektion am darauffolgenden Tag 30 Packungen aus dem Verkehr gezogen. Am 2. Juli 2017 wurde Lunpharm der weitere Handel mit Produkten des Lieferanten verboten; tatsächlich hatte die Firma schon am 15. Dezember 2016 – zwei Tage nach der ersten Information durch die Behörde – den Bezug eingestellt. Gegen das angedrohte Zwangsgeld von 10.000 Euro sei der Großhändler gerichtlich vorgegangen, das Verwaltungsgericht Potsdam habe die Maßnahme aber für rechtmäßig erklärt.
Stichproben seien auf Zusammensetzung und Wirkstoffgehalt untersucht worden. Im Labor sei eine einwandfreie Qualität festgestellt worden. Patienten müssten sich also keine Sorgen machen, nicht oder schlecht wirkende Medikamente erhalten zu haben, so das Ministerium. Dass die Medikamente in Griechenland gestohlen wurden und die Staatsanwaltschaft in diesem Zusammenhang ermittele, habe man erst duch die Presseanfrage in der vergangenen Woche erfahren. „Sollte dies so sein, liegt zweifellos ein strafrechtlich zu ahndender Verstoß gegen das Arzneimittelrecht vor. Dies wäre ein Anlass, dem Unternehmen die Betriebserlaubnis zu entziehen.“ Aktuell warte man auf Rückmeldung der griechischen Behörden. Außerdem wurde Akteneinsicht beantragt.
Dorina Dubrau, Sprecherin der Potsdamer Staatsanwaltschaft, bestätigt, dass gegen Lunapharm Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs der Hehlerei und Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz laufen – seit April 2017. Im vergangenen November soll die Staatsanwaltschaft Lunapharm einen Besuch abgestattet und Unterlagen mitgenommen haben.
Laut Kontraste soll ein Netzwerk international tätiger Pharmahändler in Deutschland illegal mit Krebsmedikamenten im Wert von mehreren Millionen Euro gehandelt haben. Dabei wurden nach einem Bericht des Magazins „die teuren Arzneien abenteuerlich gelagert und transportiert – Kühlketten waren unterbrochen“. Die Folge: Aufgrund der unsachgemäßen Lagerung sollen bei diesen Medikamenten die Qualität und Wirksamkeit nicht mehr gesichert gewesen sein. Angeblich wurde die Schmuggelware auch in einem Athener Fischmarkt zwischengeparkt und soll von dort mit Kurieren per Flugzeug nach Deutschland geschafft worden sein.
Insgesamt 21 Mitglieder der Bande hat die griechische Polizei bereits Anfang Mai verhaftet. Ihnen wird unter anderem vorgeworfen, hochsensible Krebsmedikamente aus griechischen Kliniken entwendet und nach Deutschland geschmuggelt zu haben. Dem Magazin Kontraste sagte der stellvertretende Gesundheitsminister Pavlos Polakis, man wisse, dass der Transport dieser Medikamente „nicht ordnungsgemäß verlaufen“ sei und auch die Kühlkette unterbrochen wurde: „Wir sprechen hier von einer illegalen Bande, die sich offensichtlich nicht um medizinische Anforderungen gekümmert hat.“ Drahtzieher soll der Ägypter Deyab Hussein mit seiner Firma Rheingold Pharma Medica sein. Hussein soll in Athen zur Abwicklung der Arzneimittellieferungen eigens eine Apotheke gegründet haben.
Das Gesundheitsministerium untersagte laut Kontraste der Firma den Handel mit den betroffenen Krebsmedikamenten aus Griechenland, entzog dem Pharmahändler aber nicht die Großhandelserlaubnis. Dazu teilte das Ministerium mit, es lägen „keine Hinweise vor, dass mit Arzneimitteln, die Gegenstand von Straftaten geworden sind oder die in ihrer Qualität beeinträchtigt sind, gehandelt wurde.“
Apotheker Dr. Franz Stadler zeigt sich im Kontraste-Beitrag besorgt: „Das sind sehr sensible Wirkstoffe.“ Wenn deren Kühlung nicht gewährleistet sei, „dann klumpen die Proteine, verändern sich. Für Patienten ist das eine total schlechte Nachricht.“ Dass die Behörden nicht eingeschritten sind, „verstehe ich nicht“, so Stadler, „da funktioniert unser System nicht mehr.“ Auch der Onkologe Professor Dr. Wolf-Dieter Ludwig von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft kritisierte in der Sendung das Verhalten des Brandenburger Gesundheitsministeriums als „verantwortungslos“. Die Behörde hätte nach ersten Hinweisen eine Warnung an Ärzte und Patienten herausgeben müssen und dafür sorgen müssen, „dass diese Medikamente so rasch wie möglich aus dem deutschen Markt verschwinden.“
Auch die oberste griechische Arzneimittelaufsicht EOF äußerte sich verwundert, dass der Skandal in Deutschland nie bekannt wurde und Lunapharm die Lizenz nicht entzogen wurde: „Im Augenblick, als man die deutschen Behörden informiert habe, dass illegale Medikamente im Umlauf seien, „hätte man die Öffentlichkeit informieren können“, sagte Ioannis Malemis von der EOF.
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