Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will angesichts von Problemen mit Implantaten für mehr Transparenz bei Medizinprodukten sorgen. „Wir bauen eine industrieunabhängige Stelle auf, bei der alle verbauten Implantate gemeldet werden müssen“, sagte Spahn der „Rheinischen Post“. Zugleich räumte er Defizite ein.
Gebe es heute Probleme mit einem Medizinprodukt, habe das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) „keinen Gesamtüberblick über alle vergleichbaren Fälle“. Das Institut habe in der Folge auch keine Chance, Patienten gezielt vor Fehlern zu warnen. Mit dem Register soll außerdem nachgeprüft werden können, wie lange Implantate halten.
Die Sender NDR und WDR sowie die Süddeutsche Zeitung hatten gemeinsam mit internationalen Medienkollegen berichtet, Verdachtsfälle zu Verletzungen oder tödlichen Folgen fehlerhafter Medizinprodukte nähmen stark zu. Es geht zum Beispiel um nicht haltbare Hüftimplantate oder Prothesen. In Deutschland seien im vergangenen Jahr 14.034 Verdachtsfälle gemeldet worden.
Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) sehen ein grundsätzliches Problem. „Bei Medizinprodukten kommen Scheininnovationen und sogar schädliche Produkte viel zu leicht in die Versorgung. Es gibt keine sicheren Regeln und Vorgaben, die das verhindern“, kritisierte Doris Pfeiffer, die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes. „Hier hat die Politik seit Jahren trotz zahlreicher Mahnungen viel zu wenig getan. Auch die gesetzliche Krankenversicherung hat mehrfach auf diese Probleme hingewiesen.“
Die EU-Kommission forderte eine bessere Umsetzung von Regeln und Kontrollen. Auf EU-Ebene sei als Konsequenz aus dem Skandal um geplatzte Brustimplantate 2017 ein neues Regelwerk beschlossen worden, sagte eine Sprecherin am Montag. „Aber die Geschichte ist noch nicht vorbei. Wie immer ist natürlich die Umsetzung der entscheidende Punkt.“
Die EU-Staaten, Hersteller und Ärzte seien aufgefordert, die strengeren Qualitäts- und Sicherheitsstandards anzuwenden und ihre Arbeit transparenter zu machen, betonte die Sprecherin. Die Reform setze vor allem auf striktere Kontrollen von Medizinprodukten vor und nach dem sogenannten Inverkehrbringen. Darüber hinaus gebe es mit Eudamed erstmals eine Datenbank, um die Aufsicht über Medizinprodukte zu unterstützen. „Patientensicherheit ist ein Thema, das die Kommission sehr ernst nimmt“, versicherte die Sprecherin.
Auch das Bundesgesundheitsministerium nehme die Berichte sehr ernst, sagte ein Ressortsprecher. „Jeder einzelne dort beschriebene Fall ist tragisch und einer zu viel.“ Auf EU-Ebene sei die Medizinprodukte-Richtlinie überarbeitet und durch zwei Verordnungen ersetzt worden, „die in weiten Teilen im Mai 2020 ihre Wirkung entfalten“.
So werde es bei der Auswahl und Qualitätskontrolle der Zertifizierungsstellen einen neuen Prüfungsprozess geben. „Diese konnten bislang von den einzelnen EU-Staaten mehr oder weniger in Eigenregie benannt werden. Das wird geändert“, sagte er. Zweiter Ansatzpunkt seien die Medizinprodukte selbst, die künftig zusätzlich von einem internationalen Expertenpanel überprüft würden. In hohen Risikoklassen müssten zudem klinische Studien regelhaft vorgelegt werden. Der Sprecher forderte, Probleme mit Implantaten zu melden. „Es gibt eine Pflicht zu melden, und wenn dieser Pflicht nicht nachgekommen wird, dann ist das ein Versäumnis der Anwender.“
In Deutschland sind den Berichten zufolge im vergangenen Jahr 14.034 Fälle gemeldet worden, bei denen es zu Verletzungen, Todesfällen oder anderen Problemen gekommen sei, die im Zusammenhang mit Medizinprodukten stehen könnten. Diese Verdachtsfälle nähmen stark zu, berichteten NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung. Die Recherchen wurden unter dem Titel „Implant Files“ weltweit veröffentlicht.
Die Zunahme der Meldezahlen wird seit Jahren von der zuständigen Behörde BfArM registriert und auch veröffentlicht. Die aktuellste Zahl auf der Webseite ist von 2016, als 12.000 Fälle gemeldet wurden.
Allerdings hat das Institut nach eigener Darstellung bei seinen Überprüfungen in der Vergangenheit festgestellt, dass bei rund 40 Prozent der Fälle das gemeldete Problem nicht von dem Medizinprodukt ausgegangen sei. Es sei also im rechtlichen Sinne kein meldepflichtiges „Vorkommnis“ gewesen. So bezeichnet das Institut beispielsweise eine Funktionsstörung oder unsachgemäße Bezeichnung eines Medizinproduktes, die zum Tod oder zur Verschlechterung des Gesundheitszustands eines Patienten geführt haben könnte.
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