Umstrittene Unkrautvernichter

So riskant ist Monsanto für Bayer

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St. Louis/Leverkusen -

Während sich Bayers milliardenteurer Monsanto-Kauf hinzieht, gerät das Übernahmeziel immer stärker in die Kritik. Im Brüsseler EU-Parlament müssen Lobbyisten des US-Konzerns künftig draußenbleiben, weil sie sich angeblich nicht an die „demokratischen Spielregeln“ halten. Das dürfte aber noch das geringste Problem des Agrarchemieriesen aus St. Louis sein. Größere Gefahren drohen in den USA, wo es heftige Vorwürfe und zahlreiche Klagen wegen umstrittener Unkrautvernichter und genmanipulierten Saatguts gibt.

Es ist eigentlich ein beschauliches Bild an der Grenze zwischen Arkansas und Missouri. Äcker und Felder, so weit das Auge reicht, Quadratkilometer über Quadratkilometer, fest in der Hand der Landwirtschaft. Ausgerechnet hier, in der scheinbar so friedlichen Einöde, eskaliert der jüngste Streit um Monsanto-Produkte. Es geht um das Herbizid Dicamba, das zwar Unkraut killt, aber auch Nutzpflanzen – sofern sie nicht aus genetisch modifizierter Saat stammen.

Anders ausgedrückt: Der Konzern liefert von Unkraut geplagten Bauern Mittel zur Abhilfe – aber nur in Verbindung mit hauseigener Saat, die durch Genmanipulation resistent dagegen ist. Diese Kombi-Lösung ist an sich schon umstritten genug. Richtig problematisch wird sie, weil das Pflanzengift auch auf Felder und in Gärten gelangt, die nicht immun dagegen sind. Immer wieder gibt es Streit zwischen US-Farmern, weil Unkrautvernichtungsmittel mit dem Wirkstoff Dicamba auf benachbarte Felder wehen und die Pflanzen dort eingehen lassen.

„Wir haben so etwas noch nie zuvor gesehen“, meint der Agrarexperte Kevin Bradley von der Universität Missouri zum Ausmaß des Problems. Seinen Recherchen zufolge sind landesweit deutlich über eine Million Hektar allein auf Sojabohnen-Feldern durch Verwehungen mit Dicamba verseucht. Die Landwirtschaftsbehörden untersuchten bereits im August über 2200 Verstöße mit dem Pflanzengift. Monsanto behauptet, das Mittel könne nur bei falscher Anwendung auf falsche Flächen gelangen – und schiebt den schwarzen Peter so den Farmern zu.

Doch der Unmut nimmt nicht nur bei den betroffenen Landwirten zu, sondern auch bei den Regulierern. Missouri und Arkansas haben Dicamba nach Beschwerden und Auseinandersetzungen zwischen Farmern – eine sogar mit tödlichem Ausgang - vorläufig verboten.

In Arkansas soll die endgültige Entscheidung nach einer öffentlichen Anhörung am 8. November fallen. Zahlreiche Bauern fordern bereits Schadenersatz. In einer Sammelklage, die sich auch gegen die Wettbewerber BASF und DuPont richtet, wird Monsanto vorgeworfen, seine Produkte aus Gier trotz Warnungen in den Markt gedrückt zu haben. Der Konzern streitet das ab.

Dicamba wird vor allem eingesetzt, weil viel Gestrüpp, das Landwirten zu schaffen macht, über die Jahre eine Resistenz gegen Monsantos klassischen Unkraut-Killer Roundup entwickelt hat. Dessen Wirkstoff ist das hochgradig umstrittene Pestizid Glyphosat. Mit dem laut Monsanto meistverkauften „Pflanzenschutzmittel“ der Welt machte das Unternehmen Jahrzehnte lang gute Geschäfte, die Preise sind aber unter Druck, inzwischen treiben andere Produkten das Wachstum.

Trotz der Kontroversen lieferte Monsanto zuletzt überraschend starke Zahlen. Im vierten Geschäftsquartal (bis Ende August) legten die Erlöse dank hoher Nachfrage nach Saatgut für Sojabohnen und Mais im Jahresvergleich um knapp fünf Prozent auf 2,7 Milliarden Dollar zu. Im gesamten abgelaufenen Geschäftsjahr kletterte der Umsatz um über eine Milliarde auf 14,6 Milliarden Dollar. Der Gewinn stieg von 7,0 Milliarden auf 7,9 Milliarden Dollar.

Allerdings gibt es wegen Roundup und Glyphosat sogar noch mehr Ärger als wegen Dicamba. So warnen Verbände und Wissenschaftler schon lange vor gesundheitlichen Risiken. In den USA klagen Krebspatienten, die Roundup als Verursacher ihrer Krankheit ansehen. In Gerichtsakten wird der Konzern zudem beschuldigt, entsprechende Studien manipuliert zu haben. Monsanto weist auch diese Vorwürfe zurück.

Der Ausgang der Sammelklagen ist ungewiss. Fest steht aber schon, dass Bayer sich mit dem geplanten 66 Milliarden Dollar schweren Zukauf nicht nur rechtliche, sondern auch gehörige Reputationsrisiken aufhalst. Bayer-Chef Werner Baumann ist sich dessen bewusst. „Wir werden das kombinierte Geschäft nach Abschluss der Übernahme nach unseren Maßstäben führen“, versprach er besorgten Aktionären im Frühjahr. Bayer rechnet nach jüngsten Angaben seiner Tochter Crop Science erst Anfang 2018 mit dem Abschluss der Übernahme. Verschiedene Aufsichtsbehörden müssen dem Deal noch zustimmen.

Der Argwohn gegenüber Monsanto wurde zuletzt auch in Brüssel deutlich. Das Europa-Parlament entzog den Lobbyisten des Konzerns die Zugangsausweise – ein außergewöhnlicher Vorgang. Grund war den Grünen zufolge die Weigerung, zu einer Anhörung zu erscheinen. „Wer demokratische Spielregeln ignoriert, verliert auch seine Rechte als Lobbyist im Europäischen Parlament“, erklärte Grünen-Fraktionschef Philippe Lamberts dazu. Nach wie vor gebe es Unklarheiten bei der Beurteilung von Glyphosat. „Monsanto muss sich den Fragen der Parlamentarier stellen und darf die Aufklärung nicht behindern.“

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