So erlebten Apotheker den 9. November 1989 APOTHEKE ADHOC, 02.10.2020 16:28 Uhr
Morgen jährt sich zum 30. Mal der Fall der Berliner Mauer. 84 Apothekerinnen und Apotheker aus den alten und neuen Bundesländern haben gegenüber dem Datenpanel aposcope beschrieben, wie sie den 9. November 1989 erlebt haben. Welches Gefühl und persönliche Momente verbinden sie mit dem historischen Ereignis? Vom Pharamziestudenten, der im Labor nichts mitbekommt bis zur tränenreichen Familienzusammenführung ist alles dabei.
Der Fall der innerdeutschen Mauer hat auch bei den Apothekern in Ost und West vor allem Freude ausgelöst. Bei den Befragten im Westen wurde „Erleichterung“ am zweithäufigsten genannt, im Osten „Glück“. Ein Gefühl von „Freiheit“ wurde naturgemäß im Osten mehr empfunden als bei Umfrageteilnehmern aus den alten Bundesländern. Hoffnung, Euphorie, Aufbruch und Begeisterung waren weitere positive Empfindungen, die Befragte mit dem Tag des Mauerfalls verbinden. Gerade in der ehemaligen Bundesrepublik konnte viele das große Ereignis im ersten Moment gar nicht realisieren: Unglauben und Überraschung werden hier genannt, aber auch Rührung, Dankbarkeit und Bewunderung.
Selbstverständlich gab es auch in den Apothekenteams nicht ausschließlich positive Gefühle: Unsicherheit oder Angst bewegten damals fast jeden Fünften im Osten. Verwunderung herrschte teilweise auf der anderen Seite der innerdeutschen Grenze, in Einzelfällen auch Wut, Angst und Verunsicherung.
Bei der Befragung von aposcope zum Mauerfall vor 30 Jahren wurden die Teilnehmer auch gefragt:
„Welches Erlebnis verbinden Sie mit dem 9. November 1989 oder woran erinnern Sie sich besonders?“
- Als ehemaliges DDR Kind veränderte das mein Leben, wir waren fassungslos. Ich konnte meinen Opa endlich kennenlernen
- Der erste Besuch in Westberlin mit dem Weg über die Bornholmer Brücke. Ich fuhr zum Kurfürstendamm und kaufte für meinen Vater eine Coca Cola als Geschenk.
- Die plötzliche Reisefreiheit hat mich sehr gefreut und habe ich auch bald genutzt.
- Ich hatte am Wochenende nach dem 9. November Notdienst und nie so wenige Kunden wie an diesem Wochenende. Am Sonntagnachmittag kam eine Oma, die ihre Enkel in Obhut hatte. Sie war ganz aufgelöst, weil die Eltern in Richtung Westen unterwegs und noch nicht zurück waren und die Kleinstkinder Hunger hatten. Da es zu DDR-Zeiten keine Babynahrung in Apotheken gab, habe ich ihr dann in völliger Not Traubenzucker verkauft, damit die Kleinstkinder wenigsten etwas hatten.
- Am Morgen auf dem Weg zur Uni nach Berlin-Weißensee war die S-Bahn so leer… Keiner fuhr Richtung Osten. Praktikum Arzneistoffanalytik. Die Putzfrau stand am Morgen mit dem Besen auf dem Flur und sagte uns: He Jungs, die Mauer ist offen – wir hatten nichts mitbekommen und nur die Analysen im Kopf. Dann war die Frage: Labor oder rüber nach Westberlin? Natürlich ließen wir das Labor sausen und fuhren rüber. Aber erst am Nachmittag!
- Ich stand selbst auf der Mauer, live dabei…
- Trabis an den Grenzübergängen, Jubel, Freude, Einigkeit
- Ich war sehr jung und weiß das es große Unruhe gab. Alle haben den Westen besucht.
- Ungewissheit, was wird kommen?
- Bekanntgabe durch Günter Schabowski
- Ich war gerade zu Besuch bei einer „Westtante“ und bekam von dort aus mit, wie sich alles in meinem Heimatland entwickelt bis hin zum Fall der Mauer, konnte mir ein Zusammenwachsen der beiden deutschen Staaten damals nicht wirklich vorstellen und dachte nicht, dass das SED-Regime tatsächlich „wortlos“ abdankt. Mir war bewusst, dass bei den Veränderungen viele Leute unter die Räder kommen werden und sich so mancher bereichern wird in den Wirren der Anfänge.
- Ich war erst 13 Jahre und es war der Tag nach meinem Geburtstag! Wir haben das zusammen im TV verfolgt.
- Ich war bei der NVA und habe den Mauerfall im Fernsehen verfolgt, war aber zu dieser Zeit schon nicht mehr „unter Waffen“. Zum Glück blieb alles friedlich.
„Welches Erlebnis verbinden Sie mit dem 9. November 1989 oder woran erinnern Sie sich besonders?“
- Am Tag des Mauerfalls war ich in Greifswald und habe mich auf meine Fachapothekerprüfung, welche dann auch am 17.11.1989 stattfand, vorbereitet. Ich war an diesem Tag voll mit der Vorbereitung beschäftigt, als ein Mitstreiter kam und sagte, die Grenze sei auf! Keiner wollte ihm glauben. In Greifswald konnte man zu dieser Zeit nur das DDR-Fernsehen empfangen. In der Aktuellen Kamera kam dann auch die Mitteilung und wir waren erst einmal sprachlos. Mit diesem Ereignis fielen viele unserer Ideale, denn wir waren ja auch noch Offiziere der NVA.
- Meine Mutter haben wir auf dem Leipziger Bahnhof abgeholt – sie war bis dahin in der BRD.
- An die Frage meines bettlägerigen 83-jährigen Großvaters: Wenn die Mauer auf ist, was wird dann aus Hartmut (mein Vater), wenn der Russe keine Ware mehr kauft? Mein Vater baute bei Robotron Computer. Mein Großvater sollte Recht behalten.
- Der Geburtstag meiner Großmutter. Wir konnten diesen Tag doppelt feiern.
- Ich war 16 Jahre alt und gerade nach Griechenland gezogen. Meine Freundinnen sagten mir, dass alle Sporthallen der Schulen voll wurden von den Menschen von der „andere Seite“.
- Wenige Tage später tauchten schon die ersten Trabis bei uns auf. Eine Wiedervereinigung konnte ich mir nicht vorstellen und das war eigentlich auch kein Wunsch, ich dachte eher an eine dauerhafte Existenz zweier souveräner Staaten, auch mit unterschiedlichen Systemen. Der Anschluss der DDR an die BRD kam mir zu schnell.
- Freude über die Freiheit und die in greifbare Nähe gerückte Deutsche Einheit.
- Tränen beim Anschauen der Berichte im Fernsehen, Zusammenführung der Familie meines Mannes.
- Ich war 14, an den 9.11. kann ich mich nicht erinnern. Aber an das anschließende Silvester: David Hasselhoff mit Glühlämpchenjacke singt auf der Mauer am Brandenburger Tor.
- Silvester 1989: Gemeinsame Feier und Klettern auf der Mauer
- Fokuhilas stürmen die Mauer
- Die Nacht vom 9.11.: Ganzer Ort voller Trabbi, Bananen im Aldi ausverkauft.
- Meine Mutter war an dem Abend in Berlin und erzählte nach ihrer Rückkehr nach Hamburg von dem Erlebten inklusive Gänsehaut bei der ganzen Familie...
- Ich war in der 6. Klasse. Die Lehrerin nahm uns zum Übergang Invalidenstraße. Wir begrüßten die Leute. War sehr bewegend.
- Trabbis bevölkern die Straßen, der Geruch von 2-Taktern im Westen. Wahnsinnige Freude und Rührung
- DDR wird übernommen
- Das Zitat von Genscher hat damals wie heute Gänsehautgefühl
- Dass ich unsere restliche Familie kennenlernte, ich war noch Kind.
- Fernsehberichte mit meinen Eltern, die ich damals nicht wirklich verstanden habe. Aber ich habe auf jeden Fall gespürt, dass etwas Besonderes passiert ist.
- Ungläubiges Staunen Erleichterung über Ausgang ’Mitfreude’ mit den DDR-Bürgern Neugierde auf die für mich unbekannten Orte in der DDR
- Ich war noch ein Kind. Mein Vater hat am Abend auf der Straße ein Feuerwerk abgebrannt. Mein Großvater war aus der DDR geflohen und hatte sich im Westen eine neue Apotheke aufgebaut – die Wiedervereinigung hat er leider nicht mehr erlebt, er ist im Sommer 1989 verstorben.
- Am Morgen danach, bin ich mit damals 17Jahren mit einem Schulfreund sofort von Konstanz nach Berlin gefahren, die Schule geschwänzt und mehrere Tage in Berlin geblieben, fast die ganze Zeit kaum geschlafen. Ich bereue heute keine Sekunde, jedes Jahr zum Mauerfall-Jubiläum bekomme ich Gänsehaut. Einer der schönsten Momente in meinem Leben...
- Singende hochrangige Politiker
- War eigentlich ein ganz „normales“ Medienereignis. Im nächsten Sommer waren extrem viele Bergsteiger aus den neuen Ländern in den Alpen unterwegs, das hat nachhaltig beeindruckt.
Archivbeitrag vom 8. November 2019