Silikonskandal

PIP-Implantate vor dem EuGH

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Berlin -

Fünf Jahre nach dem Skandal um Brustimplantate mit Billigsilikon gibt es im Prozess um die Schmerzensgeldklage einer Frau vorerst keine endgültige Entscheidung. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg mehrere Anfragen vorgelegt. Dabei geht es um die Auslegung von europäischem Recht. Die Fragen betreffen die Pflichten des TÜV bei der Überwachung. Die Betroffene möchte vom TÜV Rheinland 40.000 Euro.

2010 war bekanntgeworden, dass die französische Firma Poly Implant Prothèse (PIP) jahrelang unerlaubt Brustimplantate mit billigem Industriesilikon gefüllt hatte. 2010 nahm eine französische Behörde die Brustimplantate wegen hoher Reißanfälligkeit vom Markt – PIP meldet Konkurs an. Der Gründer von PIP wurde 2013 zu vier Jahren Haft verurteilt. Das Gericht in Marseille sieht es als erwiesen an, dass der Mann auch den TÜV, der die Produktionsprozesse prüfte, bewusst getäuscht hatte.

Nun muss der EuGH entscheiden, ob der TÜV laut Richtlinie 93/42/EWG bei Medizinprodukten der Klasse III „zum Schutz aller potentiellen Patienten tätig wird und deshalb bei schuldhafter Pflichtverletzung haften kann.“ Zudem fragt der BGH, ob die Prüfstelle bei entsprechenden Produkten eine generelle oder zumindest anlassbezogene Produktprüfungspflicht hat sowie eine Pflicht, Geschäftsunterlagen des Herstellers zu sichten und/oder unangemeldete Inspektionen durchzuführen.

Die Implantate waren weltweit Hunderttausenden Frauen eingesetzt worden. Allein in Deutschland sind mehr als 5000 Frauen betroffen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) veröffentlichte später eine Empfehlung, die Kissen herausoperieren zu lassen. Nicht nur in Frankreich gibt es Prozesse, auch in Deutschland – wie jetzt am BGH.

„Ich möchte einfach Gerechtigkeit, denn so etwas kann man nicht einfach so hinnehmen“, sagte die Klägerin in Karlsruhe. Der Frau aus der Vorderpfalz waren 2008 nach einer Operation zur Krebsvorsorge in beiden Brüsten PIP-Implantate eingesetzt worden.

Die Klägerin ließ sich ihre Implantate 2012 durch andere ersetzen. Sie wirft dem TÜV Rheinland vor, den Hersteller nicht ausreichend überwacht zu haben. Insbesondere eine Sichtung der Geschäftsunterlagen und eine Produktprüfung hätten dazu geführt, die Herstellung mittels Industriesilikon zu entdecken und eine Verwendung der Silikonbrustimplantate zu verhindern. Ihre Klage scheiterte in den Vorinstanzen: Das Landgericht Frankenthal hatte ihre Klage im März 2013 aus Mangel an Beweisen abgewiesen. Die Klägerin legte Rechtsmittel ein.

Im Januar 2014 entschied daraufhin das Oberlandesgericht Zweibrücken, dass der TÜV kein Schmerzensgeld zahlen muss. Die Richter sahen keine Beweise dafür, dass er seine Prüfpflichten verletzt hat. Die Organisation habe nur das Qualitätssicherungssystem des Herstellers überprüfen müssen, nicht jedoch die Beschaffenheit und Qualität der hergestellten Produkte. Der TÜV hat demnach auch nicht kontrollieren müssen, ob PIP das für Brustimplantate zugelassene Silikon benutzte. Dafür sind dem Urteil zufolge ausschließlich die französischen staatlichen Behörden zuständig gewesen. Wegen grundsätzlicher Bedeutung wurde eine Revision vor dem BGH zugelassen.

Zahlreiche Frauen waren juristisch gegen den TÜV vorgegangen. Nach Angaben eines Sprechers vom TÜV Rheinland sind noch etwa zehn Verfahren bei Landgerichten und Oberlandesgerichten mit Blick auf den BGH ausgesetzt. Bislang habe der TÜV in Deutschland jedoch alle Schadenersatzprozesse gewonnen, sagte der Sprecher.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth entschied etwa im März 2014, dass der TÜV nicht für Behandlungskosten im Zusammenhang mit den Brustimplantaten aufkommen muss. Eine entsprechende Klage der AOK Bayern hatte das Gericht abgewiesen. Die Krankenkasse hatte vom TÜV Schadenersatz in Höhe von 50.000 Euro verlangt.

Im November 2014 war eine Frau mit ihrer Schadenersatzklage vor dem Landgericht Karlsruhe gescheitert. Sowohl dem zuständigen Arzt als auch dem TÜV sei keine Pflichtverletzung vorzuwerfen, hieß es. Die Klägerin kündigte an, das Oberlandesgericht anzurufen.

Zuletzt hatte laut TÜV das Landgericht Nürnberg-Fürth zwei weitere Klagen von Frauen aus Niederdrofelden und Sprockhövel abgewiesen. „Die Urteile haben ein weiteres Mal bestätigt, dass TÜV Rheinland seine Aufgaben als Benannte Stelle zu jeder Zeit verantwortungsvoll und im Einklang mit allen geltenden Gesetzen und Normen wahrgenommen hat", teilte die Organisation mit. Die Herstellerfirma habe die französischen Überwachungsbehörden und den TÜV jahrelang systematisch betrogen.

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