Es ist wieder so weit, für dieses Wochenende ist bei Sarah Sonntag der Notdienst mit rotem Stift im Kalender eingetragen. Die Woche über war ganz schön was los in der Apotheke, denn die Erkältungszeit hat bereits begonnen und auch die Rückrufe von Ranitidin sorgten für Trubel. Diese werden sie auch im Notdienst noch begleiten.
„Da war ja wieder was los diese Woche“, seufzt Fantaschale Max, als Sarah die Apotheke betritt. Sarah verdreht die Augen und schüttelt den Kopf – das Theater um die neuen Verunreinigungen mit NDMA hatte sie die ganzen Tage schon beschäftigt und auch zu Hause war es Thema Nummer 1. Ihr Mann hatte sie noch während der Arbeitszeit angerufen und gefragt, was denn los sei. Er hatte die Neuigkeiten im Internet gelesen und sich Sorgen um seine Mutter gemacht, die das Medikament verblistert bekommt.
Sarah hatte ihn auf den aktuellen Stand gebracht und ihm erzählt, dass bereits alle betroffenen Arzneimittel aus der Blisterabteilung entfernt wurden und man auch schon Rücksprache mit den behandelnden Ärzten gehalten habe – eine stundenlange Arbeit. Zum Glück erhalten nicht so viele Patienten den Wirkstoff, beim Valsartan-Skandal hatte es wesentlich mehr getroffen. Auch der Aufwand, die Kunden zu informieren und alle umzustellen, war ein größerer. Dennoch ist die aktuelle Situation nicht weniger ärgerlich.
Nach einigen erkälteten Kunden und Patienten aus der Notfallpraxis in der Nähe klingelt das Telefon. Ein Stammkunde ist am anderen Ende: Herr Schwarz hat Sorge um seine Medikation. „Da sind doch krebserregende Magenmittel im Umlauf, ich nehme das Omeprazol, ist das auch gefährlich?“, fragt er ruppig. Sarah erklärt ihm den Sachverhalt. Dabei wird klar, dass seine Frau – welche keine Kundenkarte besitzt und daher nicht von der Apotheke informiert wurde – den Wirkstoff regelmäßig einnimmt.
„Jaja, erst dieses Blutdruckzeug und nun schon wieder was Neues – sie kriegen uns schon kaputt!“, sagt er wütend. Sarah erklärt ihm, dass es zunächst nur eine Vorsichtsmaßnahme sei und dass seine Frau am Montag Rücksprache mit ihrem Arzt halten solle. Doch Herr Schwarz ist nicht zu beruhigen: „Da nimmt man jahrelang ein Medikament und dann schadet das mehr als es hilft!“, sagt er und legt auf. Sarah seufzt und atmet tief durch. Herr Schwarz ist nicht der erste, der seine Wut gegen das Apothekenpersonal richtet. Mehrmals täglich musste sie sich solche oder ähnliche Vorwürfe in der vergangenen Woche anhören. „Dabei können wir hinter dem HV-Tisch doch am wenigsten dafür – eigentlich wollen wir nur helfen“, sagt sie niedergeschlagen zu Max.
Als später die Notdienstklingel geht, steht eine ältere Dame vor der Tür. Sie hält verschiedene Medikamentenschachteln in der Hand und ist sichtlich beunruhigt. „Ich muss sie etwas fragen“, erklärt die gebrechliche Dame. Unbeholfen reicht sie Sarah die Schachteln. „Ich habe im Radio gehört, dass Medikamente zurück müssen“, sagt sie. „Ich konnte nicht verstehen, was da genau passiert ist, deshalb wollte ich mal nachfragen und habe alles mitgebracht – sie sind doch die Fachfrau.“
Sarah schaut sich die Arzneimittel der älteren Frau an, allerdings scheint sie kein Ranitidin einzunehmen. Sarah erklärt ihr, dass nur ein bestimmter Wirkstoff betroffen sei und sie diesen nicht einnehme. „Es ist alles in Ordnung mit ihren Medikamenten, sie brauchen keine Sorge zu haben.“ Die Frau ist sichtlich erleichtert, denn sie war mit der Situation komplett überfordert und wusste sich keinen anderen Rat, als die Apothekerin zu fragen. „Das war richtig so, dafür sind wir da“, erklärt Sarah.
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