Viele Jahrzehnte war das heutige Sextoy-Museum „L’apotheque“ die „Neue Apotheke“ auf St. Pauli. 2018 übernahm Anna Genger von ihrer Mutter Regis das Geschäft. Sie kreierte im Interieur der alten Offizin ein Museum für historisches Sexspielzeug. Nun soll dort Schluss sein. Der Grund: Die Pacht für die Ladenfläche läuft aus – wegen eines Formfehlers. Doch Anna Genger kämpft für ihr Lebenswerk – und ihr Zuhause.
„Hier habt ihr eure Authentizität. Die ehrliche Anna, die nicht so tut, als wär‘ alles in Ordnung! Die in Kostümen irgendwie rumwackelt und so tut, als wäre das hier kein Kampf! Es ist vorbei.“
Auf Instagram macht Anna Gengar, Gründungsinhaberin von L’apotheque, ihrer Fassungslosigkeit Luft. Mit aufgequollenen Augen, legerem Pullover und auffälliger Brille schaut sie in die Kamera. Was genau war passiert?
Bis zum 31. Juli hätte Genger auf Pachtverlängerung optionieren müssen; auch schriftlich. Ihr war nicht klar, dass der Pachtvertrag sonst automatisch ausläuft. „In den Medien kommt es so rüber, als hätte ich was verpennt. Ich habe allein sechs Tonbandnachrichten seit 2018, in denen ich klar die Sorge formuliere, warum mir ein limitierter Pachtvertrag mir eventuell das Genick brechen könnte.“
Genger hat seit der Geschäftsübernahme mehr als 100.000 Euro in L’apotheque gesteckt; zuletzt in ein 35.000 Euro teueres Luxus-Badezimmer. Im engen Austausch mit dem Sohn des Verpächters – dessen Vater seine Geschäfte nicht mehr selbst regelt – pochte sie in der Vergangenheit immer wieder darauf, wie wichtig ihr L’apotheque ist, und: Dass sie das Geschäft weiterführen will – bis zum Todesfall. „Ich investiere so viel Geld und so viel Lebenszeit – L’apotheque ist mein Lebenswerk.“
Von der anfänglichen Hoffnungslosigkeit ist der Inhaberin heute nichts mehr anzumerken: Sie will um ihr Lebenswerk kämpfen. Genger transkribiert jetzt die Sprachnachrichten, in denen sie ihre Sorge über Jahre um den Pachtvertrag deutlich gemacht hat. „Das Problem ist, dass keine direkte Kommunikation mit dem Vermieter möglich ist. Alle Geschäfte laufen über seinen Sohn“, verdeutlicht die Künstlerin im Gespräch, „Er wusste von Anfang an, was hier Phase ist. Jedes andere Berufsformat könnte schließen und woanders wieder aufmachen. Unsere Firma wird gerade zerstört, weil sie natürlich an die alte Einrichtung gebunden ist.“ Wenn Genger eine ihrer Kieztouren leitet, sei diese absolut an die Etablissements gebunden – und dazu gehört auch ihr eigenes. Würde sie ihr Sexspielzeug-Museum in einem anderen Gebäude etablieren, fehle der Bezug zu St.Pauli. „Da ist für mich der komplette Sinn entwertet.“
Es geht nicht darum, dass meine persönliche Existenz zerstört wird, oder eben auch eine Firma liquidiert werden muss, sondern: Es geht darum, dass ein Stück der Geschichte Hamburgs unwiederbringlich verloren geht.
L’apotheque befindet sich in den Räumlichkeiten der ehemaligen Neuen Apotheke auf St. Pauli. Die alte Offizin stammt von 1799, das Gebäude von 1861. Die Apotheke wurde 2018 unter Denkmalschutz gestellt, weil es die einzige durchgehend als solche geführte Apotheke in Hamburg ist. Zusätzlich zum Mobiliar existieren Standgefäße aus dem 17. und 18. Jahrhundert.
Regis Genger, hat im Dezember 1969 den Pachtvertrag für die Apotheke unterschrieben und 49 Jahre lang das Geschäft geführt. Ihre Tochter hat 2018 das Geschäft übernommen und zusammen mit Bianca Müllner 2021 das Museum gegründet. Mithilfe der Denkmalschutzbehörde und der Stiftung Denkmalpflege wurde das Mobiliar 2022 saniert. Am 16. Oktober letzten Jahres öffnete das Museum für die Allgemeinheit.
Das L’apotheque bietet aber nicht nur die klassische Museumsführung – hier zur Geschichte der Sexspielzeuge mit historischen Exponaten – an. Darüber hinaus sind Specials wie ein Gin-Tasting des eigenen „L’aGins“, Junggesellinnenabschiede und auch Hochzeiten in den Räumlichkeiten der historischen Apotheke möglich. In diesem Jahr bietet Genger darüber hinaus ein Weihnachts-Erlebnis mit Gin-Tasting und Photo Shooting an. Darüber hinaus leitet die Inhaberin von L’apotheque Kiez-Touren, ihr eigenes Geschäft bildet einen zentralen Punkt der Rundführung.
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