Service in Wien

Drogentests auf Partys

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Wien -

Der Bass geht durch den Magen, dazu atmosphärische Klänge – typisch für eine „Goa“-Party. Es ist kurz nach Mitternacht, die Gäste tanzen zur elektronischen Musik. Manche von ihnen, vor allem junge Frauen, tragen neonfarbene rote Punkte um die Augen. Die Schminke und Knicklichter werden an kleinen Ständen am Rande der Tanzfläche verkauft. An einem Tisch gibt es nichts zu kaufen. Bunte Zettel liegen hier aus, darauf steht in großer Schrift „Ecstasy“, „2C-B“ oder „Speed“. Der Stand gehört „Checkit!“, einem von der Stadt Wien finanzierten Projekt der Drogenhilfe und der Medizinischen Universität. Neben dem Tisch steht eine Wand, an der farbige Zettel hängen: Testergebnisse.

Seit 20 Jahren ist „Checkit!“ in der Wiener Partyszene unterwegs. In Innsbruck gibt es ein ähnliches Projekt. Feiernde können hier ihr Kokain oder Ecstasy auf ihre Inhaltsstoffe überprüfen lassen. Diese Analyse sei ein Mittel, Partygäste anzulocken, sagt Projektleiter Steve Müller. „Wir kommen so mit Menschen in Kontakt, die wir sonst nicht erreichen würden.“ Wenn die Feiernden das Ergebnis abholen, entstünden fast immer längere Gespräche über die Risiken von Drogen. „Es gibt keine andere Methode, wie man so schnell in eine Reflexion übers Konsumverhalten kommt.“

Die Besucher können sich bewusst für oder gegen die Rauschmittel entscheiden. Da greift das zweite Ziel: Schadensbegrenzung. Die chemische Analyse zeigt, wie hoch die Droge dosiert ist oder welche Substanzen beigemischt sind. „Das kann Leben retten“, sagt Müller.

Denn von 183 im Jahr 2015 abgegebenen Kokain-Proben – Zahlen für 2016 gibt es noch nicht – hatten nur sechs Prozent ein erwartetes Ergebnis geliefert. In einem Viertel der Fälle wurde das Kokain als besonders bedenklich eingestuft, weil es mehr als drei Substanzen enthielt. „Da können Wechselwirkungen entstehen, die wir nicht einschätzen können“, erklärt Rainer Schmid, medizinischer Leiter und Mitbegründer von „Checkit!“.

Er sitzt mit drei Kollegen im Labor der Wiener Universitätsklinik. Um kurz nach 23 Uhr hat ein Kurier die ersten fünf Proben von der Party gebracht, die nur wenige Minuten entfernt stattfindet. Bis mindestens 4.00 Uhr werden die Chemiker hier arbeiten. Die ersten Kaffeebecher sind bereits leer, während die Feiernden ganz andere aufputschende Mittel nehmen.

Die Analyse dauert etwa 15 Minuten. „Es ist wichtig, dass wir schnell sind“, sagt Schmid. Umfragen hätten gezeigt, dass die meisten Konsumenten auf die Analyse warten, bevor sie die Droge nehmen. Das Ergebnis – Weiß für erwartet, Gelb für unerwartet und Rot für eine Warnung – wird zur Party geschickt, dort ausgedruckt und ausgehangen. Die erste Ecstasy-Probe an diesem Abend bekommt wegen der hohen Dosis einen Warnsticker. „Der Trend geht in den letzten drei, vier Jahren zu sehr, sehr hohen Dosierungen“, erklärt Schmid. Deshalb sei es so wichtig, die Mengen genau zu analysieren.

In Deutschland gab es früher vergleichbare Überprüfungen. Von 1994 bis 2004 hat die Fachstelle für Sucht und Suchtprävention „Drobs“ in Hannover Pillen analysiert. Eine Evaluation habe das Projekt als sehr erfolgreich bezeichnet, erklärt „Drobs“-Leiter Lennart Westermann. Gefehlt habe seiner Ansicht nach einzig der politische Wille, es weiterzuführen. „Wir schauen etwas neidisch auf Wien, dass es dort weitergeht.“

Doch das Gesundheitsministerium in Berlin hält die Überprüfung für kein geeignetes Instrument zur Vorsorge. Es würde nur „eine vermeintliche Sicherheit“ geben, heißt es von dort. Außerdem könne „insbesondere bei Jugendlichen der falsche Eindruck entstehen, ein unbedenkliches und von offizieller Stelle geprüftes Produkt erworben zu haben“.

Das Team von „Checkit!“ kann das nicht verstehen. Neben Österreich werden in der Schweiz und in den Niederlanden seit zwei Jahrzehnten Drogen überprüft. „Alle tun so, als wäre es ein Experiment“, sagt Müller. Dabei hätten viele Studien gezeigt, dass es wirkt. Deshalb ist auch das internationale Interesse groß. Bei der „Goa“-Party war eine Delegation aus Serbien dabei, auf der UN-Drogenkonferenz kürzlich in Wien haben ähnliche Projekte ihre Arbeit vorgestellt.

Müller zufolge zeigen deutsche Politiker nur vereinzelt Interesse an „Checkit!“, deutsche Konsumenten dagegen sehr häufig. Ein Großteil der Zugriffe auf die Webseite erfolge aus der Bundesrepublik. „Die Leute fragen, ob sie uns Proben schicken können“, sagt Müller, der das aus juristischen Gründen ablehnen muss. „Dann wollen sie wissen, wo sie das in Deutschland machen lassen können.“ Die Antwort: nirgends.

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