Pflegeheime

Sensormatte statt Fixiergurt

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Die umstrittenen Fixiergurte und Bettgitter für alte Menschen im Heim sind nach einer aktuellen Studie in vielen Fällen unnötig. Mit besserer Schulung der Mitarbeiter lasse sich die Zahl der sogenannten freiheitseinschränkenden Maßnahmen (FEM) deutlich reduzieren – ohne dass Stürze oder Psychopharmaka-Verordnungen zunähmen, so das Fazit der Wissenschaftler der Universitäten Witten/Herdecke und Hamburg.

„Gitter und Gurte sind nicht nur ethisch umstritten und sollen laut Gesetz das letzte Mittel der Wahl sein, sie sind auch pflegefachlich nicht gerechtfertigt. Und trotzdem werden sie regelmäßig in Pflegeheimen angewendet“, kritisiert Professor Dr. Gabriele Meyer, Pflegewissenschaftlerin der Universität Witten-Herdecke.

Alternativen seien Niederflurbetten oder Matratzen auf dem Boden, die Gitter überflüssig machen könnten. Hüftschutzhosen milderten die Verletzungsgefahr bei Stürzen. Sensormatten vor dem Bett könnten das Personal rechtzeitig auf unkontrolliertes Aufstehen aufmerksam machen. Entscheidend sei es, die Haltung der Pflegekräfte zu verändern und deutlich zu machen, dass der Pflegealltag auch ohne Zwang und Einschränkung bewältigt werden könne, so Meyer weiter.

 

 

In der Studie waren jeweils 18 Pflegeheime in Nordrhein-Westfalen und Hamburg ein halbes Jahr miteinander verglichen worden. In einer Gruppe wurde das Personal mit einem Leitlinien-Programm intensiv auf Möglichkeiten hingewiesen, Fixierungen zu vermeiden. Die Zahl der Bewohner mit Freiheitseinschränkungen ging von 31,5 auf 22,6 Prozent zurück. In der Vergleichsgruppe blieb der Anteil dagegen unverändert. Die Ergebnisse der Studie werden in der Fachzeitschrift „Journal of the American Medical Association“ (JAMA) veröffentlicht.

Schätzungen zufolge werden bundesweit jeden Tag rund 400.000 Menschen in Pflegeheimen mit Gurten an das Bett oder den Rollstuhl gefesselt oder mit Bettgittern am Aufstehen gehindert. Grund ist die Furcht vor Stürzen etwa bei Parkinson-Patienten. Demente Menschen haben oft einen übergroßen Bewegungsdrang, verlassen die Einrichtungen und irren draußen herum.

Langfristige Fixierungen müssen gerichtlich angeordnet werden, kurzfristige wie ein Bettgitter für eine Nacht nicht. Kritiker verweisen auf die Unfallgefahr durch die Gurte bis hin zu Selbststrangulierungen und den schnellen Muskelabbau durch die Zwangslage. Hinzu kommen die ethischen Probleme.

 

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