Grüne Apotheke in Bernburg feiert Jubiläum

„Schon bei der Aspirin-Tablette ging das Jammern los“

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Berlin -

Die älteste Apotheke Bernburgs in Sachsen-Anhalt feiert ihren 325. Geburtstag. Seit 37 Jahren leitet Hendrik Frenzel die „Grüne Apotheke“. Er hat vieles erlebt und alles gut überstanden – von der Pflichtausbildung zum Mechatroniker bis zur Selbstständigkeit nach dem Fall der Mauer.

Gerade waren Kunden da und haben dem Team eine Flasche Sekt gebracht. Eine kleine Aufmerksamkeit zum Jubiläum. Die Mitarbeiter freuen sich über das Dankeschön. Und Frenzel erinnert sich an die letzten Jahrzehnte: „Zu DDR-Zeiten waren Apothekenmitarbeiter beim Kreis angestellt. Nach der Wende habe ich mich selbstständig gemacht, bin einfach ins kalte Wasser gesprungen.“ Er übernahm die Apotheke: „Ich hatte bezüglich der Zukunft keine Bedenken. Kranke wird es immer geben. Ich habe den Schritt nie bereut.“

Apotheker wurde er erst über einen kleinen Umweg. Auf seiner Berufs-Wunschliste standen Arzt, Zahntechniker, Optiker und Apotheker. Nach dem Abitur landete er allerdings in einem Betonwerk, wo ihm eine Ausbildung zum Mechatroniker angeboten wurde. „Nach der Ausbildung bekamen wir die Information, dass es auf diesem Gebiet gar keine Jobs gab.“ Er durchforstete die Listen mit möglichen Studienrichtungen. Und da war er wieder, der Beruf des Apothekers. „Männliche Pharmazeuten würden gebraucht, teilte man mir mit.“ Also studierte er in Halle an der Saale Pharmazie.

Die Aufgaben in der Offizin haben sich, im Vergleich zu DDR-Zeiten, geändert. „Früher haben wir viel mehr selbst hergestellt, alles, was die Industrie nicht liefern konnte, vom Kinderzäpfchen bis zum Schmerzpulver. Sogar Nasen- und Augentropfen haben wir selbst produziert. Mit der Wende kam dann alles fertig angeliefert.“ Das entlastet zum einen die Mitarbeiter, nimmt dem Beruf aber auch eine Seite, die viele Pharmazeuten mögen. „Der Herstellungsprozess geriet in den Hintergrund.“ Der 64-Jährige nimmt es mit Humor. „Im Jahr 1880 haben die Apotheker auch schon gejammert, als die erste Aspirin-Tablette auf den Markt kam.“ Das Ende der Offizin wurde befürchtet, zu Unrecht, wie wir heute wissen. Mit seiner Erfahrung machen dem Apotheker Lieferengpässe auch im 21. Jahrhundert keine Sorgen. „Wir haben ja jetzt wieder eine Phase, in der vieles nicht lieferbar ist.“

 

Die Entwicklung der Branche heißt er nicht gut: „Sie macht jedem Apotheker das Leben schwer.“ Trotz aller Probleme liebt Frenzel seinen Beruf, er hilft gerne Menschen, so wie es in diesem Haus schon dutzende Apothekerinnen und Apotheker vor ihm getan haben. Und weil es nur vereinzelte Informationen über die Geschichte der Grünen Apotheke gab, hat er in mühevoller Kleinarbeit weitere Details zusammengetragen und auf der Website aufgeschrieben. Er ist Mitglied im Bernburger Verein für Geschichte und Altertumskunde und auch der Deutschen Gesellschaft für die Geschichte der Pharmazie.

Viele Apotheker haben im Lauf der Jahrhunderte hier gewirkt, der Gründer der Apotheke war Johann Heinrich Ludwig, der die Offizin im Februar 1694 eröffnete. Frenzel vermutet allerdings, dass die ersten Anfänge der Grünen Apotheke bereits im 16. Jahrhundert zu finden sind. Ihr Gebäude ist eines der wenigen aus der Barockzeit vollständig erhaltenen Häuser in Bernburg. Frenzel erzählt: „Die Gründung der grünen Apotheke, sie hieß damals wohl Ratsapotheke, fällt vermutlich ins 15. Jahrhundert, denn bereits im 16. Jahrhundert wird sie in historischen Aufzeichnungen als uralt bezeichnet.“

In Bernburg gab es jahrhundertelang eine Rote, eine Grüne und eine Blaue Apotheke. Woher die Namen stammen, ist nicht belegbar, möglicherweise leiteten sie sich von der Farbe der Hausfassade ab. Apotheker Frenzel schreibt: „Ab 1738 werden in Bernburgs Talstadt erstmals eine Grüne, Rote, Blaue und Gelbe Apotheke erwähnt, was sonst wohl nirgends vorkommt. Denn alle vier lokalen Fachvertreter bringen 1738 gemeinsam eine Petition bei dem Landesherren ein. Sie fordern, dass die überhand nehmende Konkurrenz der umherziehenden Arzneimittelhändler unterbunden wird. In diesem offiziellen Schriftstück benennen die Apothekenbesitzer ihre Offizinen mit diesen Farbbezeichnungen, die bis heute die jeweiligen Haussymbole darstellen.“ Ins 21. Jahrhundert haben es alle vier Apotheken geschafft, eine musste allerdings im vergangenen Jahr Insolvenz anmelden: Die Blaue Apotheke in Bernburg gibt es nicht mehr.

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