Am Berliner Winterfeldt-Platz steht eine denkmalgeschützte Gründerzeit-Apotheke. Die Inneneinrichtung von 1892 ist komplett erhalten. Die Apotheke dagegen nicht – sie musste 2009 schließen. Seitdem ist in den Räumlichkeiten ein Schokoladen-Café untergebracht. Inhaberin Natascha Kespy erklärt, wieso Schokolade gut in eine Apotheke passt.
Kespy ist eigentlich Schauspielerin. Vor Jahren hat sie allerdings im Schokoladen-Laden eines Freunds zur Weihnachtszeit ausgeholfen. „Ich dachte, das ist eine Art, wie sich in Berlin Geld verdienen lässt“, sagt sie. So gründete sie 2005 das Geschäft „Winterfeldt Schokoladen“ am gleichnamigen Platz in Berlin-Schöneberg. Aber es lief nicht gut; besonders in den Sommermonaten nicht. „Ich schaute mich nach einer größeren Location um, denn ich wollte zusätzlich ein Café eröffnen.“ Da sie sich nicht noch einmal eine neue Stammkundschaft aufbauen wollte, suchte sie nach geeigneten Räumlichkeiten in der Umgebung.
Im Kiez hatte sich damals herumgesprochen, dass Werner Liebheit, Inhaber der Pallas-Apotheke, in Rente gehen wollte. „Die Apotheke seit ihrer Gründung 1892 insgesamt nur drei Besitzer; Liebheit hat dort als Praktikant begonnen und 45 Jahre dort gearbeitet“, erzählt Kespy. Trotz der guten Lage und jahrelanger Suche fand er jedoch keinen Nachfolger. Er hatte die Inneneinrichtung unter Denkmalschutz setzen lassen. Zudem sei die Apotheke – wie es in der Gründerzeit üblich gewesen sei – klein und gedrungen, sagt Kespy. „Liebheit hing sehr an alten Dingen. Doch kein Interessent wollte wohl unter den Bedingungen arbeiten.“
Da die Fassade ihres ersten Geschäfts ebenfalls unter Denkmalschutz stand, ließ Kespy sich davon nicht abschrecken: „Ich wusste, dass die Behörde auch bereit ist, gewisse Kompromisse einzugehen.“ Daher blieb sie hartnäckig – und letztlich konnte sie Liebheit überzeugen und bekam den Zuschlag.
In Absprache mit der Denkmalschutzbehörde hat sie einige Umbauarbeiten vorgenommen. In der ehemaligen Offizin steht nun die Kasse, im Lager stehen Kaffeetische. Die Wand zum einstigen Tresorraum konnte sie einreißen: „Sie war in den ursprünglichen Bauplänen nicht vorgesehen.“ Dadurch konnte sie den Verkaufsraum vergrößern. Im Labor befinden sich heute die Toiletten. Aus dem ehemaligen Nachtdienstzimmer heraus betreibt Kespy ihren Online-Shop. Ein Büro hat nicht mehr in die Apotheke gepasst; dazu hat sie einen Raum in einem anderen Stockwerk des Hauses angemietet.
Das Schokoladen-Café sei vom ersten Tag an liebevoll angenommen worden. „Die Resonanz hat mir gezeigt, dass die Schokolade in den Apothekenregalen super ankommt“, sagt sie. Auch Reiseführer entdeckten die Gründerzeit-Einrichtung; damit kamen neben den Berlinern auch die Touristen in das Café. „Etwa drei Jahre nach dem Umzug habe ich kostendeckend gearbeitet“, sagt Kespy. Bis dahin habe sie jeden Tag allein im Laden bedient. „Dann konnte ich Mitarbeiter einstellen.“
Aus ihrer Sicht passen Schokoladen und Apotheken sehr gut zusammen: „Denn die Apotheker haben Schokolade erst salonfähig gemacht“, sagt Kespy. Bis ins 19. Jahrhundert hinein sei Schokolade nur bei Hofe genascht worden. „Apotheker in Frankreich haben dann erkannt, dass Patienten ihre Medizin lieber nehmen, wenn es dazu Schokolade gibt“, sagt sie. Nun verkauft sie Schokolade in einer Apotheke aus dem Jahr 1892: „So schließt sich gewissermaßen der Kreis.“ Zudem wirkten Schokoladen gerade im Winter, der dunklen und kalten Jahreszeit, als Stimmungsaufheller.
Kespy führt etwa 50 Marken und mehr als 1000 Sorten. Sie verkauft keine „Industrieware“, sondern wählt Schokoladen von Chocolatiers aus. Um deren Qualität zu prüfen, reist sie nicht nur zu den Manufakturen, sondern inzwischen auch zu den Kakaoplantagen. „Natürlich kann ich nicht jede Plantage besuchen, aber ich will zumindest in jedem Herkunftsland mir eine angesehen haben“, sagt sie.
In jedem Jahr nimmt sie neue Sorten auf. „Im September bringen die Hersteller ihre neuen Kataloge heraus – pünktlich für die Adventszeit“, sagt sie. Schokolade sei ein Winterprodukt: „Dass wir in Deutschland auch um Ostern herum viel Schokolade essen, ist eher ungewöhnlich“, so Kespy. Im Sommer decke sie ihre laufenden Kosten daher verstärkt über das Café. Der Online-Shop ist ihr drittes Standbein.
Zu den „Schnelldrehern“ in ihrem Geschäft gehören ausgefallene Sorten: „Gut gehen eine dunkle Schokolade mit rosa Pfeffer und eine Milchschokolade mit Salz“, verrät Kespy. Auch die Tafeln ohne Zucker, mit einem Kakaoanteil von 100 Prozent, verkauften sich sehr gut. Ihr eigener Schokoladengeschmack ist saisonabhängig: „Im Frühling und Sommer mag ich helle Schokoladen mit Zitrusfrüchten, im Winter eher dunkle mit Pfeffer.“
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