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Schließungsstichtag: 31. Dezember Torsten Bless, 19.08.2018 11:41 Uhr

Berlin - 

Matthias Pietzner hat sich entschieden: Zum Jahresende will der 67-Jährige seine Phoenix-Apotheke im niedersächsischen Stuhr abgeben. Wieder droht eine Apotheke zu verschwinden: Denn findet er keinen Nachfolger, wird der laut ihm gut gehende Betrieb geschlossen.

Geboren ist Pietzner in Sachsen-Anhalt, nach seinem Studium arbeitete er zunächst in der Gegend von Hannover. „Die längste Zeit meines Lebens lebte ich in Berlin. Der Liebe wegen hat es mich nach Stuhr verschlagen.“ Der 3600-Seelen-Flecken ist Teil der gleichnamigen, aus acht Ortsteilen bestehenden Einheitsgemeinde mit insgesamt 33.000 Einwohnern. Hier machte er sich 1996 mit der Phoenix-Apotheke erstmals selbstständig.

Es habe eine Weile gedauert, bis er sich hier im Norden heimisch gefühlt habe, bekennt der Pharmazeut. „Am Anfang gehen die Menschen auf Distanz, aber wenn sie einen erst einmal kennengelernt haben, sind sie sehr anhänglich“, sagt er. „Sie sind sehr froh, dass es die Apotheke gibt und kommen auch so mal auf einen Plausch vorbei, um von ihren Urlaubsreisen oder privaten Problemen zu erzählen.“

Sein Team ist klein, neben ihm arbeiten noch zwei PTA und ein Botenfahrer in der Phoenix-Apotheke. „Einen zweiten Approbierten zu haben, wäre nicht schlecht“, räumt Pietzner ein. „Aber das ist auch eine Frage der Finanzierung, ich müsste mich dann einschränken.“ Er möchte lieber Geld für Fernreisen in die USA übrig haben. Ohne einen langen Vorlauf seien diese Touren allerdings nicht möglich: „Die Vertretungsapotheker hier in der Region haben alle viel zu tun, da muss ich mich meist ein Jahr im Voraus anmelden.“

Sein Solo-Apothekerdasein fordert seinen Tribut: „Ich bin von Montag bis Samstag in der Apotheke und mache alle 19 Tage Notdienst. Da fühle ich mich wie in einem Hamsterrad.“ Mittlerweile ist Pietzner 67 Jahre alt. „Mit 70 wie andere Kollegen möchte ich nicht mehr in der Offizin stehen.“ Er hat sich den 31. Dezember als Stichtag gesetzt. „Wenn sich bis dahin kein Nachfolger findet, wird die Apotheke geschlossen. Der Mietvertrag ist bereits gekündigt.“

Seit drei Jahren sei er bereits auf der Suche. „Ich habe versucht, die Suche über den Großhandel und über Außendienstmitarbeiter der verschiedenen Firmen zu streuen, Anzeigen geschaltet und Aufrufe auf Facebook veröffentlicht.“ Ende vergangenen Jahres habe er einen Makler eingeschaltet und gemeinsam mit ihm ein Exposee erstellt. Wirtschaftlich gehe es der Apotheke nach wie vor gut, betont Pietzner. Millionär werden könne man nicht, aber gut davon leben. „Zwar sind die Verdienstmöglichkeiten geringer geworden, die Bürokratie frisst uns auf.“

Doch die Patienten blieben treu. „Wir haben hier zu 95 Prozent Stammkunden. Zudem haben wir vor vielen Jahren die Versorgung eines etwa einen Kilometer Luftlinie entfernten Seniorenheims übernommen.“ Einzig Ärzte seien hier vorübergehend nicht zu finden. „Eine Gemeinschaftspraxis mit drei Ärzten musste im November umziehen, weil das Haus abgerissen wurde. Sie wollen aber in zwei bis drei Jahren zurückkehren.“ Ein mögliches passendes Grundstück sei bereits in Aussicht.

Gerade mal drei Interessenten hätten im Laufe der Zeit vorgesprochen. „Der Makler sagte mir, es sei ungewöhnlich, dass sich so wenige melden“, berichtet der Pharmazeut. Alle seien wieder abgesprungen. „Einem von ihnen war das Wagnis zu groß, weil es hier gerade keine Ärzte gibt.“ Doch die Mediziner kämen zurück. Die anderen Besitzer in spe hätten keine Gründe genannt. „Vielleicht war zunächst der Kaufpreis zu hoch angesetzt, aber der ist Verhandlungssache, man kann gerne darüber reden. Nur für einen symbolischen Euro gebe ich die Apotheke mitsamt ihrem Warenlager nicht ab.“

Noch weitere Kollegen wollten sich lieber heute als morgen zur Ruhe setzen, hat Pietzner erfahren. Das Phänomen sei nicht auf sein Dorf beschränkt. „Es geht das Gerücht um, dass im Laufe des nächsten Jahres zehn Apotheken in Bremen schließen müssen, weil sie keinen Nachfolger oder Filialleiter finden.“ Derweil läuft der Countdown in Stuhr. „Die ersten Kunden sind schon ganz traurig, dass ich zum 31. Dezember aufhöre.“ Aber sein Entschluss stehe fest.

Die Hände in den Schoß legen wolle er freilich auch ab 2019 nicht. „Wenn ich hier in der Phoenix-Apotheke aufhöre, könnte ich am nächsten Tag sofort woanders anfangen. Viele Apotheker in der Region sind ähnlich wie ich die einzigen Approbierten in der Offizin und suchen händeringend nach Vertretern.“ Er plane, mal hier und mal da auszuhelfen. „Als Vertretungsapotheker bin ich unabhängig und kann immer wieder mal Pausen einlegen. Dann bin ich endlich frei für meine Reisen.“