Eine weitere Traditionsapotheke muss zum 19. März schließen. Nach 111 Jahren gibt die Inhaberin Sigrun Gräbel ihre Amalien-Apotheke im Kiez von Berlin-Weißensee schweren Herzens auf. „Es ist die prekäre finanzielle Lage, die uns zur Schließung zwingt“, beklagt sie. Nicht mal geschenkt wollte jemand ihren Betrieb haben.
Den 111. Geburtstag der Apotheke habe sie im vergangenen Jahr noch groß gefeiert, so Gräbel. „Nun musste ich jedoch die endgültige Schließung bekanntgeben“, sagt sie traurig. Es sei vor allem die schwierige finanzielle Lage und die große Ungewissheit, wie es politisch weitergehe. „Ich habe die Entscheidung über Monate vor mir hergeschoben und bis zuletzt noch gehofft, dass sich etwas ändert“, so Gräbel. „Seit Jahren hofften wir auf positive Zeichen aus der Politik, so dass auch kleine Kiezapotheken überleben können.“ Nun müsse sie aus wirtschaftlichen Gründen aufgeben.
Aber alle Bemühungen hätten wenig gebracht. „Unsere Streikversuche und die Appelle an die Politik haben uns nicht retten können“, beklagt sie. „Die Mietkosten sowie alle anderen finanziellen Verpflichtungen sind nicht mehr zu stemmen.“ So habe es auch an baulichen Gegebenheiten gemangelt. „Das Tiefbauamt war nicht bereit, uns eine kleine Parknische einzurichten, auch das hat im Endeffekt zum Entschluss der Schließung beigetragen.“
Eine Nachfolge ließ sich nicht finden, so Gräbel. „Ich hätte mein Geschäft sogar verschenkt, aber niemand wollte die Apotheke übernehmen.“ Dabei habe sie bis zuletzt das Gefühl, dass die Menschen ihre Amalien-Apotheke brauchten. „Nach Bekanntgabe, dass wir zum 19. März zu machen, kamen sehr viele treue Stammkunden vorbei. Es gab unheimlich viel Mitgefühl“, so die Inhaberin.
Wir haben alle mit sehr viel Herzblut unsere Kunden sehr persönlich und individuell betreut, sie getröstet, mit ihnen gefeiert und vor allem uns um ihre Versorgung mit Medikamenten und allem drum herum gekümmert, was diese auch sehr zu schätzen wussten.
Viele seien traurig und es sei auch die ein oder andere Träne vergossen worden, so Gräbel. „Einige wissen nun nicht, wie sie in Zukunft zur nächsten Apotheke gelangen sollen. „Es sind zwar noch Apotheken ganz in der Nähe, aber gerade für die älteren Herrschaften ist der Weg von 800 Metren zu weit, um ihn selbstständig bewältigen zu können“, so Gräbel. „Bis hierher haben sie es immer noch geschafft.“
Auch die individuellen und meist sehr vertrauten Beziehungen würden durch die Schließung gekappt. „Vor allem den Älteren fällt es schwer sich auf etwas Neues einzustellen“, bedauert sie. „Wir haben alle mit sehr viel Herzblut unsere Kunden sehr persönlich und individuell betreut, sie getröstet, mit ihnen gefeiert und vor allem uns um ihre Versorgung mit Medikamenten und allem drum herum gekümmert, was diese auch sehr zu schätzen wussten.“
Bis zur Schließung verschenkt Gräbel etliches aus dem Apothekeninventar. „Wir bieten eine Mitnahme-Schütte an. Zudem kann man Laborbedarf, Pflegeartikel und auch unsere schöne Schaufensterdekoration kostengünstig erwerben“, erklärt sie. „Es ist eigentlich quer durch die Bank etwas dabei für unsere Kundschaft.“ So habe die treue Kundschaft noch eine Erinnerung an „die Amalie“.
Das ganze Team hält bis zur letzten Stunde die Treue, so die Inhaberin stolz. „Es muss unbedingt ganz dringend und schnell etwas passieren. Die Politik muss endlich reagieren, aber auch die Bevölkerung muss geweckt werden, um die wohnortnahe Versorgung noch zu retten“, warnt sie. „Für uns leider zu spät.“ Sie selbst werde nach der Schließung als Angestellte in einer Apotheke weiterhin ihrem Beruf nachgehen. „Wenn alles vorbei ist und sich beruhigt hat, werde ich weniger Sorgen haben“, so Gräbel.