Massenimpfung

Schlangestehen für die Spritze Michael Kieffer, dpa, 12.08.2007 09:21 Uhr

Neuss - 

Was am Samstag in Neuss ohne jede Panik geprobt worden ist, würde in Wirklichkeit für Angst und Schrecken sorgen. Etwa 600 Helfer übten eine Massenimpfung, die notwendig wird, wenn über Deutschland irgendwann eine gefährliche Grippewelle hereinbricht. Das ist viel wahrscheinlicher als viele denken: "Experten sind sich einig, dass sich nicht die Frage stellt, ob eine solche Erkrankungswelle kommt, sondern wann sie kommt", sagt der Sprecher des Rhein-Kreises Neuss, Harald Vieten. Es war NRW-weit die größte Übung dieser Art, andere Bundesländer sind bei der Vorbereitung noch lange nicht so weit.

Während bisher vor allem in Südostasien etwa 300 Menschen an der Vogelgrippe erkrankten und viele von ihnen starben, würde eine weltweite Epidemie, eine sogenannte Pandemie, für Tausende Tote auch hierzulande sorgen. Für einen solchen Ernstfall beschlossen Bund und Ländern 2005 einen nationalen Pandemieplan - die Umsetzung übte der Kreis erstmals in dieser Größenordnung.

Karin Scheffler gehört zu denen, die im Fall einer Pandemie als erste geimpft werden müssten. Die 48-Jährige arbeitet seit mehr als 30 Jahren ehrenamtlich fürs Deutsche Rote Kreuz (DRK). Damit ist sie eine von 12 800 "First-Respondern", also Erstempfängern, im Rhein-Kreis Neuss. Zu dieser Gruppe gehören Mitarbeiter von Krankenhäusern, Altenheimen, Polizei, Feuerwehr und anderen Rettungskräften, die den Impfstoff noch vor den übrigen 450 000 Kreisbewohnern erhalten würden. Sie sollen dafür sorgen, dass das öffentliche Leben nicht zusammenbricht.

Scheffler und 18 weitere DRK-Helfer aus Korschenbroich stehen draußen auf dem Parkplatz des Berufsbildungszentrums, in dem sie geimpft werden sollen. Die Gruppe wird von Zelt zu Zelt geschleust. Erst steht eine Registrierung an, dann informiert die Ärztin Maria Eisenhuth vom Kreisgesundheitsamt die Teilnehmer über den Ablauf. Die Testteilnehmer bekommen tatsächlich eine Impfspritze, aber zu Übungszwecke nur gegen Tetanus und Diphterie. Im Ernstfall würde es allerdings 10 bis 22 Wochen dauern, um genügend Impfstoff für ein Drittel der Bevölkerung gegen die gefährliche Grippe herzustellen, sagen die Experten.

Während die Übung für Scheffler zu Ende ist, geht es für den Rest der Rotkreuzler weiter in das Schulgebäude. Neun Impfstraßen sind in der Aula aufgebaut, an denen jeweils Impfpässe kontrolliert und bei Bedarf die Impfungen gespritzt werden. Etwa eine Stunde nach Ankunft im Schulzentrum sitzt Schefflers Kollege, Andreas Killer, im Ruhebereich. "Die letzte Impfung war bei mir schon sieben oder acht Jahre her", erzählt der 30-Jährige. Daher seien die Impfungen aufgefrischt worden. "Es hat alles gut geklappt, und auch die Wartezeiten waren nicht zu hoch", sagt er.

Zufrieden zeigen sich auch die Verantwortlichen des Rhein-Kreises Neuss. "Es lief schneller und besser als angenommen", sagt Kreisdirektor Hans-Jürgen Petrauschke in einem ersten Fazit nach der
Übung. Dass es im Ernstfall doch zu Problemen kommen könnte, bestreiten die Verantwortlichen nicht. Werde eine Pandemie Wirklichkeit, müsste die Polizei Impfaktionen schützen - sonst könnte es zu Gewalt kommen, wenn Rettungskräfte und Bürgermeister zuerst den lebensrettenden Schutz bekommen, sagte Vieten.