Die internationale Polizeiorganisation Interpol hat in einer weltweiten Razzia 500 Tonnen illegaler Arzneimittel beschlagnahmt. Bei der bereits zum elften Mal durchgeführten, weltweit konzertierten Aktion „Pangea“ haben Polizei, Zoll- und Arzneimittelaufsichtsbehörden in 116 Ländern zugeschlagen.
Der Inhalt hält bekanntlich nicht immer, was die Verpackung verspricht. Als irische Zöllner in der vergangenen Woche bei der Kontrolle ein spanisches Buch über die Sowjetunion kontrollierten, dürften sie nicht schlecht gestaunt haben: Wie früher in Westernfilmen der Colt in der Bibel versteckt wurde, haben Medikamentenschmuggler die Seiten fein säuberlich herausgeschnitten, um eine Packung Schlaftabletten darin unterzubringen.
Auch anderswo zeigten die Schmuggler sich von ihrer kreativen Seite: In Polen fanden die Zöllner tausende Anti-Baby-Pillen in DVD-Hüllen. In Großbritannien wiederum wurden 150.000 Schlaftabletten sichergestellt, die als Kleidung, Bettzeug und Nahrungsmittel deklariert waren. Doch auch medizinisches Gerät wurde en masse beschlagnahmt, in Mazedonien beispielsweise 737 nicht zugelassene OP-Instrumente für Herzoperationen.
Die Bandbreite der sichergestellten Arzneimittel reicht von Entzündungshemmern über Schmerz-, Potenz- und Schlafmittel bis hin zu anabolischen Steroiden und Schlankmachertabletten. Aber auch Medikamente gegen schwere Erkrankungen wie HIV, Parkinson oder Diabetes waren darunter. Außerdem wurden mehr als 110.000 Medizinprodukte und Hilfsmittel wie Spritzen, Kontaktlinsen, Hörgeräte oder OP-Besteck konfisziert.
Wie bereits in den Vorjahren lag der besondere Schwerpunkt der Operation Interpol zufolge auf dem illegalen Arzneimittelversand im Internet. Bei der Operation wurden insgesamt 3671 Webseiten, Social-Media-Präsenzen und Online-Marktplätze geschlossen. Außerdem wurden 859 Personen festgenommen und gefälschte Arzneimittel im Wert von 14 Millionen US-Dollar sichergestellt. Im Zeitraum der Aktion, der Woche vom 9. zum 16. Oktober, wurden von den Behörden rund eine Million Pakete inspiziert.
„Das Internet ist eine der wichtigsten Quellen von unsicheren Medikamenten geworden und internationale Zusammenarbeit ist entscheidend, um die Öffentlichkeit vor dieser Gefahr zu schützen“, erklärte Derek Fitzgerald, der für die neuseeländische Arzneimittelbehörde MMDSA an der Aktion beteiligt war. „Kunden, Verkäufer und Zahlungsdienstleister befinden sich oft an unterschiedlichen Ecken der Welt. Das verdeutlicht die die Wichtigkeit globaler Kooperation bei der Bekämpfung krimineller Aktivitäten, die keine Grenzen kennen.“
Koordiniert wurde die Aktion neben Interpol durch die Weltzollorganisation WZO, Europol, mehrere Pharmaunternehmen sowie diverse Zahlungs- und Zustellungsdienstleister. In Deutschland haben unter Federführung des Zollkriminalamts (ZKA) und des Bundeskriminalamts (BKA) vor allem die Hauptzollämter Frankfurt am Main, Gießen und Dresden an den Standorten der Paketzentren am Flughafen Frankfurt sowie in Niederaula und in Radefeld tausende Sendungen kontrolliert.
Aus insgesamt 1209 Briefen und Paketen zogen sie 99.989 illegale Tabletten, Kapseln und Ampullen. Bei rund 80 Prozent davon handelte es sich um Potenzmittel, aber auch Beruhigungs- und Schmerzmittel sowie verbotene Nahrungsergänzungsmittel seien darunter gewesen. Laut BKA kamen die meisten der beschlagnahmten Pakete aus Indien, Hongkong, Polen und der Schweiz.
Auf die Staatsanwaltschaften und Gerichte kommt also eine Menge neue Arbeit zu. Dabei sind bei weitem noch nicht alle Prozesse abgeschlossen, die aus der letzten Razzia im September 2017 resultierten. Die Polizeibehörden ermittelten allein im Zeitraum von Januar bis August 2018 in 132 Ermittlungsverfahren gegen die Betreiber von 136 Internetseiten. Dazu kommen 305 Strafverfahren wegen Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz sowie über 1000 Verfahren wegen Verstößen gegen das Antidopinggesetz, die der Zollfahndungsdienst im Jahr 2017 geführt hat.
Zwar wurden in diesem Jahr laut Interpol mehr Pakete durchsucht als in vorherigen Pangea-Operationen, die Anzahl der konfiszierten Arzneimittel sei jedoch geringer ausgefallen. Für Interpol-Generalsekretär Jürgen Stock ist das ein Zeichen, dass die bisherigen Operationen Wirkung zeigen. Illegale Versender würden nämlich mittlerweile geringere Einzelmengen versenden, damit die Verluste im Falle einer Kontrolle geringer sind, so Stock. „Die Ergebnisse dieses Jahres zeigen einmal mehr, wie wir weltweit erfolgreich potentiell tödliche Produkte daran hindern, unbedarfte Verbraucher zu erreichen.“
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