Schlafforschung

Schlafmangel macht risikobereiter

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Mainz -

Sieben Stunden und 15 Minuten verbringen die Deutschen am Tag durchschnittlich mit Schlafen. Doch tief und erholsam schlummern immer weniger, vermuten Experten. Der Druck der 24-Stunden-Gesellschaft ist unter anderem Schuld.

Menschen schlafen nach Ansicht von Medizinern besonders in einer Nacht in der Woche schlecht. „Ganz Deutschland schläft von Sonntag auf Montag am schlechtesten“, sagt der Psychologe Dr. Hans-Günter Weeß. Das liege zum einen daran, dass man sonntags länger geschlafen habe, abends aber wieder zur gewohnten Zeit ins Bett gehe. Man sei einfach nicht lange genug wach gewesen und habe den sogenannten Schlafdruck nicht ausreichend aufgebaut. Zweitens: „Viele fragen sich abends im Bett, was die kommende Woche bringt und was ansteht“, sagt Weeß. „Anspannung ist der größte Feind des Schlafes.“

„Unsere durchschnittliche tägliche Schlafdauer liegt bei sieben Stunden und 15 Minuten“, sagt Dr. Alfred Wiater, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin. Wie viel Schlaf jeder von uns braucht, ist aber sehr unterschiedlich. Das hänge von den individuellen sozialen Umständen und auch von der genetischen Disposition ab, erklärt Schlafmediziner Dr. Peter Young von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. „Schlaf muss eine hohe Priorität im Leben haben“, sagte er.

Doch wie schaffen es ranghohe Politiker und Manager, oft nur wenige Stunden am Tag zu schlafen und trotzdem ihre wichtigen Jobs auszuführen. „Vielleicht zählt die eine oder andere Politikerin oder der eine oder andere Politiker zu den Kurzschläfern und ist daher trotz wenig Schlaf voll leistungsfähig“, vermutet Wiater. Zu bedenken sei aber, dass Schlafmangel zu „realitätsfernem Optimismus und erhöhter Risikobereitschaft führen kann.“ Wiater betont: „Daher sollten sich Politikerinnen und Politiker über den Stellenwert erholsamen Schlafes für verantwortungsvolles Handeln im Klaren sein.“

In Deutschland leiden rund 6 Prozent der Bevölkerung unter Schlafstörungen. Sie können nicht richtig ein- oder durchschlafen und benötigen eine Behandlung. Sie sind deshalb weniger leistungsfähig und ihr Wohlbefinden leidet. Experten sehen darin eine große Gefahr. „Wir leben in einer 24-Stunden-Gesellschaft, sind ständig erreichbar, ständig mit dem Arbeitsplatz und anderen Menschen verbunden. Das Abschalten fällt uns einfach immer schwerer“, sagt Weeß. Eine repräsentative Umfrage der Max Grundig Klinik im baden-württembergischen Bühl ergab, dass 41 Prozent der Deutschen Angst vor Schlaflosigkeit haben.

Schlafstörungen können durch organische Erkrankungen, psychische Störungen, Schichtarbeit und Medikamente hervorgerufen werden. Doch es gibt einen Faktor, der laut Expertenmeinung bislang zu selten berücksichtigt wird: „Das ist die innere Einstellung des Patienten zur Nacht und zum Schlaf“, sagt Weeß. Den Betroffenen gelinge es oft nicht, sich vom Alltag zu verabschieden. Schlafgestörte machen sich häufig im Bett Gedanken über Alltagsprobleme, oftmals auch über Banalitäten. „Das erhöht die Anspannung. Und die Anspannung ist der größte Feind des Schlafes.“ Schlafmangel steigere das Herz-Kreislauf-Risiko, genauso wie das Diabetesrisiko.

„Bei objektiven Messungen schlafen Frauen im gemeinsamen Schlafzimmer schlechter, Männer hingegen besser“, sagt Weeß. Subjektiv erleben jedoch beide den Paarschlaf als angenehmer. „Frauen sagen trotzdem, dass sie zu zweit besser schlafen als allein.“ Da kommt die Psychologie ins Spiel: „Das gemeinsame Schlafen bietet für beide Geschlechter ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit.“ Den Grund für den objektiv schlechteren Schlaf der Frau kann man evolutionsbiologisch erklären. Sie seien genetisch so programmiert, dass sie für das Wohl der Familienmitglieder und Kinder zuständig sind – auch nachts. „Sie schlafen sozusagen an ihrem Arbeitsplatz.“

Auch das Handy beeinflusst den Schlaf: „Wir wissen von Jugendlichen, wenn sie vor dem Einschlafen und später im Bett noch viel mit dem Handy daddeln, dass sie schlechter schlafen“, sagt Weeß. Das Abschalten falle immer schwerer. Sie haben weniger Schlaf und sind am Tage weniger ausgeschlafen.

Gesundheits-Apps und Schlaftracker-Armbänder sollten laut Experten nur eingesetzt werden, wenn sie auch wissenschaftlich überprüft wurden. Es bestehe ansonsten die Gefahr, dass man falsche Schlüsse aus den gewonnenen Daten zieht und es eher zu einer Verunsicherung kommt, statt zur Förderung der Gesundheit.

In der kommenden Woche tagt die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin in Mainz. Die Experten wollen neben den Ursachen für schlechten Schlaf auch Auswirkungen auf das Privat- und Berufsleben diskutieren.

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