Sachsen-Anhalt

Störche auf der Adler-Apotheke

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Berlin -

Der Storch gilt als Glücksbringer – und der Adler-Apotheke in Wolmirstedt bringt er offenbar besonders viel Glück. Seit mehr als 300 Jahren gibt es die Apotheke im Norden Sachsen-Anhalts, und Apotheker Konrad Riedel hat es den jährlich anreisenden Störchenpaaren bequem gemacht. Damit alle etwas von den Vögeln haben, hat er außerdem eine Kamera installiert, die das Nest filmt und die Bilder direkt in seine Apotheke und die darüber liegende Arztpraxis überträgt.

1702 wurde das Grundstück, auf dem sich damals ein Brauhaus und die dazu gehörigen Gärten befanden, von Apotheker Ernst-Balthasar Guttorph übernommen, drei Jahre später stand die Apotheke. 1709 erhielt sie das königliche Privileg, von dem Riedel noch eine Abschrift aus dem Jahr 1720 besitzt.

Wie in vielen Apotheken der Börde und Altmark wurde in dem Haus früher eine Produktion betrieben: Feuerwerkskörper, Stärke, Chemikalien, Mineralwasser, Obstsäfte und vieles mehr wurden in den Apothekenräumen hergestellt. Aus dieser Zeit stammt auch der Schornstein, auf dem nun regelmäßig Störche nisten.

Zu DDR-Zeiten gehörte die Apotheke zum Pharmazeutischen Zentrum Magdeburg. Als Riedel die Apotheke nach der Wende übernahm, gab es einen großen Baurückstau, er musste etwa noch eine alte Dampfmaschine rausreißen. Ein 1992 wurden der Gebäudekomplex umfassend renoviert. Der Schornstein wurde um einen Meter verkürzt und das Storchennest in Ordnung gebracht. „Das wog damals achteinhalb Zentner und wurde von Mitarbeitern des Naturschutzes halbiert“, berichtet Riedel. Außerdem gab es ein neues Rad für das Nest.

Üblicherweise kommen die Störche laut Riedel immer um den 29 März. Zu erst kommt das Männchen und bereitet das Nest vor. Die später eintreffenden Weibchen suchen sich das beste Nest aus und wählen den Erbauer für die Paarungszeit zum Partner. Zweimal hat es Riedel erlebt, dass heftig um das Nest auf seinem Schornstein gekämpft wurde. „Es gab auch Blut auf dem Gehweg“, berichtet der Apotheker. Das Paar, das sich das Nest erkämpft hatte, schaffte es aber in beiden Jahren nicht mehr zu brüten.

Blutig wird es auch dann, wenn die Storcheneltern nicht alle Jungtiere ernähren können und – meist Ende Juni – einzelne Jungvögel aus dem Nest werfen. Die Vögel haben zu diesem Zeitpunkt meist die Größe von Hühner und noch einen schwarzen Schnabel. Dass Jungtiere aus dem Nest geworfen werden geschieht nach Riedels Erfahrung vor allem in besonders trockenen Jahren.

In den meisten Jahren gab es zwei Jungtiere, einmal auch vier. Die Jungen schlüpfen Riedel zufolge meist im Juni, zur Sommersonnenwende können sie im Nest stehen. Dann beginnen die ersten Flugversuche im Nest: „Sie wedeln mit den Flügeln und lassen sich wie ein Hubschrauber hoch und runter“, erzählt Riedel. Erst in den zwei Wochen vor dem Abflug lernen die Jungtiere richtig fliegen und verlassen das Nest. In dieser Zeit lernen sie auch erst, wie sie selbst Futter suchen – bis dahin werden sie von den Eltern versorgt.

Meist in der letzten Augustwoche verlassen die Jungen das Nest und ziehen nach Süden, die Eltern folgen ihnen etwas später. Bis sie geschlechtsreif sind bleiben die Jungtiere in den Winterquartieren in Afrika, dann kehren sie zurück und beginnen mit der Suche nach einem eigenen Nest.

Um die Storche besser beobachten zu können, hat Riedel vor zehn Jahren auf dem Nachbar-Schornstein eine Stange mit einer Kamera installiert. Die überträgt ein Live-Bild auf zwei Bildschirme, einer hängt in der Apotheke, ein anderer in der Arztpraxis. Das habe dazu geführt, dass die Patienten deutlich weniger dagegen hätten, einen Moment länger zu warten, erzählt Riedel. Als der Mitteldeutsche Rundfunk vor einiger Zeit das interessantest Wartezimmer suchte, schaffte es die Konstruktion des Apothekers sogar ins Fernsehen.

Die Kamera erfasst die Jungtiere, sobald sie über den Nestrand schauen können. Das Aufnahmegerät noch höher zu bauen, sei zu schwierig gewesen, so Riedel. Bereits bei der jetzigen Konstruktion sei der Mast die größte Herausforderung gewesen, da sie ohne Halteseile auskommen sollte. Die Lösung fand der Apotheker bei einer Firma in Dresden. Die Kamera überträgt das Bild bei Tag, kommt aber ohne Beleuchtung oder Ton aus. Das ist Riedel zufolge auch nicht nötig: „Das Geklapper hört man bis in die Apothekenräume.“

Bislang läuft die Kamera einwandfrei, Probleme gab es nicht. Allerdings ist das Nest inzwischen schon wieder so hoch, dass nur wenig vom Inneren zu sehen ist. Zu erkennen ist aber bereits, dass das Storchenpaar bereits brütet. „Sie sind dieses Jahr etwas früher gekommen, schon in der vorletzten Maiwoche“, berichtet Riedel.

Der Oberpharmazierat ist auch anderweitig aktiv. Obwohl er die Apotheke inzwischen an seinen Sohn Mathias übergeben hat, ist er regelmäßig in der Offizin anzutreffen. Außerdem hält er immer wieder Vorträge im eigenen Apothekenmuseum. Dort können Besucher auf einen Exkurs in die über 300-jährige Geschichte der Apotheke gehen.

Eine weitere Leidenschaft von Riedel ist seine Windmühle in Breitenhagen, die er in jahrelanger Arbeit wieder hergerichtet hat. Die Paltrockmühle wurde 1928 aus einer 1912 an diesen Standort umgesetzten Bockwindmühle erbaut. Ursprünglich war die Mühle mit Jalousieflügeln und Windrose ausgerüstet, heute sind Flügel mit offenen Gattern angebracht. Nach der Stilllegung in den 70er Jahren wurde sie als Freizeitobjekt genutzt und schrittweise saniert. Zum Deutschen Mühlentag, der jedes Jahr am Pfingstmontag stattfindet, führt Riedel durch seine Mühle.

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