Was treiben die Mitglieder des Rx-Flohmarktes auf Facebook? Da die Deals nicht im öffentlichen Forum abgeschlossen werden, haben wir den Kontakt zu Dealer:innen aufgenommen. Das Ergebnis: Eine Person hat uns verraten, wie sie an große Mengen Saxenda gekommen ist und wie die Abwicklung mit der Kundschaft läuft.
Der Rx-Flohmarkt wächst weiter: Mittlerweile ist die Gruppe 123 Mitglieder stark. Das bedeutet: Mehr Rx-Präparate, mehr Nachfragen. Nach wie vor ist der Flohmarkt öffentlich, Mitgliederbeschränkungen oder Aufnahmekapazitäten gibt es keine. Ergo: Mit wenigen Klicks ist man Gruppenmitglied.
Das ist notwendig, denn die harten Fakten fallen nur selten im öffentlichen Forum des Rx-Schwarzmarktes. Die Abwicklung der Geschäfte erfolgt über private Nachrichten (PN). Von mehreren angeschriebenen Dealer:innen schildert uns eine, wie der Rx-Handel auf Facebook funktioniert.
Im Angebot hat die Userin die begehrte Abnehmspritze Saxenda (Liraglutid), laut Posting hat sie „einiges übrig.“ Das bestätigt sie in einer privaten Nachricht: „Habe ausreichend Saxenda auch für mehrere Monate inklusive Nadeln. Die Packung kostet 200 Euro und hält 1 Monat. Gerne kann man sich persönlich treffen oder halt gekühlter Versand.“ Auf die Themen Kühlung und Risiko fällt das Gespräch später noch einmal zurück.
„Ich habe über 10 Packungen, soviel Sie möchten, 2026 verfallen die und sind aus der Apotheke“, bestätigt die Dealerin auf Nachfrage. Vor dem Hintergrund der GLP1-Analoga-Engpässe ist das schon eine Hausnummer. Daraufhin will sie klären, wann man sich zur Übergabe treffen könne. Dazu nennt sie uns ihren Wohnort und ihr aktuelles Zeitfenster. Zeitnah passe es ihr am besten, „ansonsten würde ich als Nachnahme senden, da bezahlen Sie erst, wenn Sie das Produkt ordentlich erhalten, ansonsten nehmen Sie es einfach nicht an. Das ist relativ unkompliziert und für uns beide am sichersten. Ich komme gerade sehr gut dran.“
Als sie dazu über das Wochenende keine Antwort erhält, bekommt die Dealerin Panik. „Hey, alles gut? Noch Bedarf? Nichts mehr gehört, ist Ihnen bestimmt zu knapp jetzt alles, oder soll ich Ihnen etwas reservieren?“, fragt sie, nicht einmal 24 Stunden seit unserer letzten Nachricht. Am Sonntagabend sieht die illegale Rx-Händlerin dann ihre Felle davonschwimmen: „Ich weiß nicht, was passiert ist. Vermute, dass Sie Sorge vor Betrug haben. Ich habe in der Gruppe einige zufriedene Kunden.“ Sie habe uns nicht zu Nahe treten wollen, stellt sie klar.
Nachdem wir sie einen Tag später beschwichtigen können und wir Zweifel an der Legalität der Verkäufe äußern, scheint es plötzlich so, als bestehe zwischen uns ein absolutes Vertrauensverhältnis. Anders ist wohl kaum erklärbar, was dann aus der Dealerin herausbricht: „Auf eBay und Kleinanzeigen dürfen keine Medikamente verkauft werden“, belehrt sie uns. Anzeigen würden dort sofort gelöscht werden. „Da müssen Sie bitte aufpassen, und niemals, egal wie dringend oder was auch immer, niemals vorher bezahlen. Ich hab selbst sogar über Paypal 1000 Euro bezahlt, da ich dachte, da habe ich einen Namen und trotzdem ist das Geld weg gewesen. Trotz Anzeige bei der Polizei.“
Als wir sie fragen, ob sie denn wirklich so viele Packungen Saxenda hat, bekommen wir Fotos von ihrem Kühlschrank. Darauf zu sehen: Unmengen von Süßigkeiten, dazwischengestopft: Saxenda. „Ich esse gerne süß, deshalb brauche ich die Spritzen. Das Saxenda wurde eingestellt, soll mit Wegovy ersetzt werden. Allgemein habe ich die Spritzen immer nur ganz kurz da und bekomme sie schnell abverkauft“, erklärt sie. Darauf folgt gefährliches Hörensagen: „Hab gehört viele warten mehr als drei Monate und das Rezept verfällt. Dann sind die Rezepte sehr teuer, manche zahlen auch fürs Ausstellen. Apotheken verlangen unterschiedliche Preise für das gleiche Produkt.“
All' das habe sie schließlich genau so mitgemacht. Da ihr Hausarzt ihr nicht helfen wollte, habe sie über einen Online-Arzt 428 Euro für Rezept und Präparat gezahlt.
Über eine andere Facebook-Gruppe habe sie mitbekommen, dass Saxenda in der Türkei günstiger ist als in Deutschland. Zudem sei es dort frei verkäuflich; man dürfe so viel kaufen, wie man möchte, erklärt sie uns. „Zusätzlich ist der Freund meines Cousins Apotheker in Istanbul. Also fliege ich runter mit Kühltaschen und Kühl-Akkus, kaufe ein und komme zurück.“ Wie viel sie pro Packung in der Türkei bezahlt hat, will uns die Dealerin nicht verraten.
Sie ermutigt uns anschließend, selbst in die Türkei zu fliegen und erklärt, wie sie es sich beschafft. „Sie buchen einfach einen Kurztrip von drei Tagen für ein verlängertes Wochenende, gehen dort in die Apotheke. Jeder darf dort kaufen, soviel er mag, und dann ab nachhause. Nur ganz ganz wichtig: Stellen Sie zwei Kühltaschen ineinander, wegen der Kühlkette.“ Alternativ verkauft sie uns bis zu 14 Packungen des GLP-1-Analogons. Falls wir uns immer noch unsicher sind, dürfen wir via FaceTime auch gerne live in ihren Saxenda-Kühlschrank schauen. Dass die Kühlkette tatsächlich eingehalten wurde, wagen wir stark zu bezweifeln.
Dass ihre Verkäufe illegal sind, räumt die Dealerin schließlich ein. Der Flohmarkt sei entstanden, um sich gegenseitig während der Corona-Pandemie zu helfen. „Eine Gruppe wie diese ist als Gesetz noch nicht durch. Einige Posts werden ja auch gelöscht, aber man findet sich doch irgendwie“, schließt sie ihre Erklärungen.
APOTHEKE ADHOC Debatte