Schleichwerbung

Roche: Wer ist eigentlich Micha?

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Berlin -

28.000 Euro für „LG von Micha“: Der Pharmakonzern Roche ist wegen verbotener Schleichwerbung von der Freiwilligen Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie (FSA) zu einer Geldstrafe verdonnert worden. Anlass war eine Recherche der Welt am Sonntag. Die Zeitung hatte aufgedeckt, dass eine für den Hersteller tätige Agentur im vergangenen Herbst anonyme Briefe an etwa 10.000 Ärzte geschickt hatte, um für das Hautkrebsmedikament Erivedge (Vismodegib) zu werben.

Die handgeschriebenen Briefumschläge enthielten Sonderdrucke von Artikeln aus vier Fachzeitschriften über das Medikament. Ein Absender war nicht angegeben, stattdessen hatten Agenturmitarbeiter gelbe Post-it-Zettel auf die Ausschnitte geklebt. Hier wurde der jeweilige Arzt mit Vornamen angesprochen und dazu aufgefordert, sich den Artikel doch einmal durchzulesen. Eine der kursierenden Varianten: „Lieber …., schau mal, was ich noch auf dem Tisch hatte. Hast Du damit schon Erfahrungen machen können? LG Micha“

Die FSA leitete nach dem Zeitungsbericht eine Untersuchung ein. Die zuständige Schiedsstelle erkannte auf einen Verstoß gegen die Richtlinien des Vereins, da „der Absender der Unterlagen nicht eindeutig und unmittelbar erkennbar“ gewesen sei. Bei den angesprochenen Ärzten sei der irreführende Eindruck entstanden, hier erfolge ein persönlicher Hinweis von einem Bekannten oder Freund auf eine Präparate-bezogene Veröffentlichung. Die Reaktionen der Betroffenen, die beim Konzern und bei einem der Verlage eingegangen seien, hätten dies belegt.

Ein Hinweis aus dem persönlichen Kreis werde erfahrungsgemäß besser beachtet als eindeutig vom Hersteller versandte Werbestücke. Laut Schiedsstelle ist es naheliegend, dass dies auch so beabsichtigt gewesen war: Die Du-Form der Anrede, der Aufwand von knapp 10.000 handschriftlichen, individuellen Notizen anstelle eines einheitlichen Anschreibens und schließlich die Frankierung durch individuell aufgeklebte Briefmarken anstelle eines Freistemplers sprächen dafür.

Roche gab zur Verteidigung an, ein einzelner Mitarbeiter sei für die gesamte Aktion verantwortlich gewesen. Die weitere Zusammenarbeit mit ihm sei mittlerweile beendet worden. Außerdem seien nur noch Restbestände der Sonderdrucke verschickt worden, daher habe es keine Kontroll- und Freigabeschleifen gegeben. Auch lasse sich nicht mehr rekonstruieren, ob der fehlende Absender auf einem Versehen des mit der Verteilung beauftragten Dienstleisters beruhe oder absichtlich erfolgt sei.

Das ließ die FSA nicht gelten: Die Irreführung sei dem Unternehmen auch dann zuzurechnen, wenn es sich um die Aktivität eines einzelnen Mitarbeiters handele. Es sei dem Unternehmen zuzumuten, Freigabeprozesse einzuführen, die sicherstellten, dass die vorgesehenen Maßnahmen zur Genehmigung vorgelegt würden. Zudem müsse auch zu einem späteren Zeitpunkt noch nachvollziehbar sein, welche konkrete Maßnahmen wie umgesetzt werden sollten und wer dafür grünes Licht gegeben habe.

Roche hat laut FSA der Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von 28.000 Euro zugestimmt. Der Konzern hatte bereits eine Unterlassungserklärung gegenüber einem Wettbewerbsverband abgegeben; der Schiedsstelle reichte aber die Vertragsstrafe von 5000 Euro nicht. Dies wäre bei einer Aussendung an einen Arzt sicherlich angemessen, bei einer an knapp 10.000 Adressaten gerichteten Aktion jedoch nicht, hieß es. Nach Angaben des Konzerns beliefen sich die Kosten für die Sonderdrucke und die Versandkosten auf mehr 35.000 Euro. Dazu kommen die Kosten für das Entschuldigungsschreiben, das der Konzern kurz vor Weihnachten verschickte.

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