Stiftung Warentest knickt ein APOTHEKE ADHOC, 26.09.2014 08:49 Uhr
Im Streit mit dem Schokoladenhersteller Alfred Ritter gibt Stiftung Warentest jetzt doch klein bei. Man werde die juristische Auseinandersetzung nicht weiter fortsetzen und habe eine Abschlusserklärung abgegeben, teilte Vorstand Hubertus Primus mit. Damit werde das Urteil des Oberlandesgerichts München (OLG) anerkannt.
In dem Verfahren hatte das OLG kritisiert, Warentest habe nicht „nachgewiesen“, sondern „geschlussfolgert“, dass es der in der Voll-Nuss-Schokolade verwendete Aromastoff Piperonal chemisch hergestellt sei.
Warentest hatte die Schokolade mit „mangelhaft“ bewertet: Die Prüfer hatten den Aromastoff Piperonal nachgewiesen, der ihrer Meinung nach ausschließlich chemisch hergestellt werden kann. Weil aber im Zutatenverzeichnis von natürlichem Aroma die Rede sei, seien die Deklaration irreführend und die Schokolade nicht verkehrsfähig.
„Die Stiftung Warentest hat im Testbericht nicht präzise und ausführlich genug dargelegt, wie sie zur Beurteilung der Deklaration gekommen ist“, räumt Primus ein. Seiner Meinung nach ist ungewiss, ob sich die Richter im Hauptsacheverfahren mit der tatsächlichen Herstellung von Piperonal befassen würden. Zudem würde ein Prozess mit Beweisaufnahme über vermutlich mehrere Instanzen hinweg einen „unverhältnismäßig hohen Zeit-, Personal- und Kostenaufwand“ verursachen. Daher beende man die juristische Auseinandersetzung – werde sich aber weiterhin mit den Inhaltsstoffen und der Kennzeichnung von Lebensmitteln beschäftigen.
Vor Gericht ging es aber nicht nur um die Frage der Nachweispflicht, sondern auch grundsätzlich um die Transparenz der Untersuchungen. So stehe es den Testern zwar frei, strenge Maßstäbe anzuwenden und etwa die Verwendung natürlicher Aromen einzufordern, so das Landgericht München I. Die Gründe für die Erwägungen müssten jedoch offen gelegt werden, damit Verbraucher nachvollziehen könnten, warum eine Bewertung im Einzelfall gut oder schlecht ausfalle.Grundsätzlich genieße die Stiftung wegen des Allgemeininteresses der Untersuchungen weitgehende Meinungsäußerungsfreiheit. In unbilliger Weise dürfe kein Anbieter in seiner Stellung am Markt beeinträchtigt werden. Die Testberichterstattung zur Voll-Nuss-Schokolade stehe „außer Verhältnis zu den Aufgaben und Zielen einer sachlichen Verbraucheraufklärung“.
Beim Hersteller hatte man das OLG-Urteil gelobt: „Die Entscheidung ist richtig. Sie zeigt, auch Stiftung Warentest darf nicht willkürliche Behauptungen in die Welt setzen, die jeder Grundlage entbehren“, kommentierte Chefjurist Thomas Seeger. Um drohenden Auslistungen des Handels entgegenzutreten, die existenzbedrohend gewesen wären, habe man die rechtliche Klärung gesucht.
Ritter Sport und der Zulieferer Symrise hatten Verfahren recherchiert, mit denen aus Lorbeergewächsen Piperonal auch in industriellem Maß auf natürlichem Weg gewonnen werden kann. Außerdem hatte Symrise die Eidesstattliche Versicherung eines Gutachters vorgelegt, der den gesamten Herstellungsprozess des von Ritter Sport verwendeten Piperonals überprüft hatte und zu dem Ergebnis gekommen war, Ausgangsstoff und Herstellungsverfahren seien natürlich im Sinne der EU-Aromenverordnung.
„Wir hätten uns gewünscht, Stiftung Warentest wäre ihrem eigenen Anspruch gerecht geworden und hätte eingeräumt, einen Fehler gemacht zu haben – so wie sie es von Unternehmen immer verlangt“, so Seeger. „Stattdessen Herstellungsort und Lieferkette zu diskreditieren, ist ein untauglicher Versuch, von eigenen Fehlern und Versäumnissen abzulenken. Das dient nicht der Verbraucheraufklärung, der Vorwurf der Verbrauchertäuschung fällt damit am Ende auf Stiftung Warentest zurück.“
Alfred Ritter wurde 1912 gegründet, heute wird das Familienunternehmen mit rund 1000 Mitarbeitern in dritter Generation von Alfred T. Ritter geführt. Bereits 1932 erfand Clara Ritter die bis heute charakteristisch quadratische Schokoladenform. Die Firma aus dem schwäbischen Waldenbuch setzte zuletzt 380 Millionen Euro um.