Rheinland-Pfalz

Vom HV-Tisch zur Traubenlese

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Berlin -

„Was gibt es Schöneres, als bei Sonne und Vogelgezwitscher durch die Weinberge zu laufen?“, so Ingmar Bartz. Riesling, Kerner, Müller-Thurgau und Domina: Das sind die Weinsorten, die der Apotheker an der Mosel anbaut. Schon sein Pharmaziestudium hat er damit finanziert. Heute sei die harte körperliche Arbeit ein perfekter Ausgleich zur Apotheke und sein „verschärftes Hobby“.

Eigentlich wollte Bartz Winzer werden. Er entschied sich anders: Nachdem er zunächst ein Chemiestudium in Kaiserlautern begann, wechselte er schnell an das Pharmazie-Institut nach Mainz und schloss 1997 ab. Offizin-Erfahrung sammelte er in zwei Apotheken bis 2001, im gleichen Jahr absolvierte er die Weiterbildung zum Fachapotheker für Offizinpharmazie.

Im Dezember übernahm er die 1663 gegründete Hirsch-Apotheke in Traben-Trarbach – nach eigenen Angaben die älteste Apotheke zwischen Trier und Koblenz. Zwei Filialen folgten auf einen Schlag im Februar 2008: die Neue Apotheke in Sohren und die Kirchspiel Apotheke in Blankenrath. Seit 2013 ist Bartz außerdem Pharmazierat. „Ich bin zu 100 Prozent Apotheker“, sagt er. „Aber mit dem Wein bin ich aufgewachsen.“

Schon als Kind habe er auf dem Weinberg geholfen – wie sein Vater vor ihm, und sein Großvater vor diesem. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts lasse sich der Weinbau in der Familie zurückverfolgen. Früher sei der Wein im Fass an Händler verkauft worden. Seit 1948 fülle die Familie selbst in Flaschen ab und vermarkte diese. Zwischen 3,60 Euro und 10 Euro kostet die Flasche heute.

„Mein Opa hat mit seinen drei Geschwistern einen Mischbetrieb geführt“, sagt Bartz: Unter dem Namen „Geschwister Bartz“ bewirtschafteten die drei den landwirtschaftlichen Betrieb mit Kühen, Schweinen, Acker- und Weinbau. 1974 übernahm Bartz' Vater den Betrieb. Auch Ackerflächen wurden bis 1978 mit Reben bepflanzt, um mehr zu ernten. Anfang der 90er wurden die Flächen wieder gerodet, weil ein guter Moselriesling nicht auf einem Acker sondern nur in einer Schiefersteillage wachse.

1990 starb der Großvater, 1993 auch der Vater. Bartz fühlte sich der Tradition verbunden und übernahm den Betrieb, zuerst mit seinem Bruder, später stieg die Ehefrau ein. Die Landwirtschaft und Viehzucht gab die Familie auf. Zwar falle immer noch Gewinn ab, für einen Hauptberuf reiche es aber nicht. Seit Bartz' Approbation 1998 firmiert der Wein unter dem Namen „Weingut Apotheker Bartz“.

1,9 Hektar Fläche bewirtschaftet die Familie, der überwiegende Teil der Weinberge liegt in Mülheim. Der Schieferverwitterungsboden mit hohem Steinanteil speichere tagsüber die Energie der Sonne, um die Reben nachts zu wärmen. „Ideale Voraussetzungen für einen feinfruchtigen Riesling“, so Bartz. Im Seitental bei Mülheim wächst auf einem kargeren Lehm- und Kiesboden der Domina Rotwein.

Bartz richte sich nach den Richtlinien des „kontrolliert umweltschonenden Weinbaus“: Herbizide verwendet er deshalb nicht. Außerdem gehörten extensive Anbauweisen, ein starker Rebenrückschnitt und natürliche Begrünung mit einer großen Pflanzenvielfalt dazu, um die Erosion zu hemmen – „alles Faktoren, die weg von der Masse hin zu kleinen aber feinen Erträgen führen.“

Mindestens zwölfmal im Jahr müsse jeder Rebstock bearbeitet werden: Insgesamt rund 13.000 Rebstöcke wachsen auf Bartz' Berghängen. Im Winter werden diese geschnitten und gebunden; die Drahtrahmenanlagen werden kontrolliert, die Triebe, die für das nächste Jahr gebraucht würden, hoch gebunden und die übrigen, überschüssigen Triebe abgeschnitten. „Dann geht mehr Kraft in die Traube“, sagt Bartz.

Vier bis fünf mal im Jahr werde Pflanzenschutzmittel, etwa Schwefel, gegen Pilzschädlinge gesprüht. Insektizide verwende er seit 1993 nicht mehr. Die Arbeit sei hart: Gerade hat er ein paar Zentner Kalk verteilt – als Düngung, um dem PH-Wert im Boden zu optimieren.

Im Winter übernehme ein Mitarbeiter den überwiegenden Teil der Arbeit. Zwei Monate arbeite dieser von morgens bis abends. „Die Sommerarbeit übernehmen wir mit der Familie, weil man lange arbeiten kann“, so Bartz. In der Regel komme er 22.30 Uhr am Abend heim.

Auch an der Traubenlese, die überwiegend von Hand gemacht werde, beteilige sich die ganze Familie. Neben seiner Frau helfen die 15-jährige Tochter und der zwölfjährige Sohn – „sie müssen nicht, sie dürfen“, betont der Vater. Der Sohn wolle sogar Winzer werden, die Tochter Apothekerin. „Aber mal sehen“, lacht er, „bis es soweit ist, läuft noch viel Wasser die Mosel hinunter.“

In der Kellerwirtschaft werden die Trauben weiterverarbeitet: pneumatische Pressung, Ausbau in Edelstahltanks und viel Zeit zur Reife. Rund 10.000 Flaschen pro Jahr würden abgefüllt.

Bartz steckt bis zu 30 Stunden pro Woche in den Wein, daneben steht er 40 Stunden in der Apotheke. „Wenn meine Frau nicht mitziehen würde, ginge das nicht.“ Sie sei nicht berufstätig und könne deshalb den Verkauf übernehmen: Abgegeben werde fast nur an Privatleute, entweder persönlich vom Hof aus oder per Paket. Den Fachhandel beliefern die Bartz „so gut wie gar nicht“.

„Die Kombination aus Weinbau und Apotheke ist das Schöne“, sagt er. Er sei auch zu 100 Prozent Winzer. Zwischen den Reben könne er komplett von der Apotheke abschalten. Sobald er aber in der Apotheke stehe, sei der Weinbau vergessen.

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