Rezeptur: Zwischen Doku-Wahnsinn und Retax-Fallen Sarah Sonntag, 13.01.2019 07:56 Uhr
Die Erkältungswelle hat das Team von Sarah Sonntag stark dezimiert, schließlich arbeiten Apothekenmitarbeiter an der Quelle der grippalen Infekte. Weil die wenigen gesunden pharmazeutischen Kollegen im Handverkauf sind, stapeln sich in der Rezeptur die Rezepte. Im Notdienst sollen alle Rezepturen hergestellt werden.
Verschiedene Salben, Kapseln und eine Lösung müssen hergestellt werden. Fantaschale Max steht schon bereit und thront auf einem Stapel Papier. „Ich habe schon die Gefährdungsbeurteilungen, Herstellungsanweisungen und Plausibiltätsprüfungen zusammengesucht“, sagt Max stolz. „Und hier habe ich die Herstellungsprotokolle, die musst du dann alle ausfüllen.“
Plausi, was? Sarah war schon lange nicht mehr in der Rezeptur. Mit manifesten und lavierten Inkompatibilitäten, Anionen-Kationen-Reaktionen, phenolischen Wirkstoffen, pH-Verschiebungen und grenzflächenaktiven Stoffen hatte sie sich lange nicht mehr beschäftigt, zum Glück kann Max helfen. Auffällig war jedoch, dass auf dem Großteil der Verordnungen die Gebrauchsanweisung fehlte. Laut § 2 Arzneimittelverschreibungsverordnung muss der Arzt diese auf dem Rezept dokumentieren.
„Zum Glück darf ich die Gebrauchsanweisung nachtragen“, sagt Sarah erleichtert. „Aber nur in Rücksprache mit dem Arzt“, fügt Max hinzu. Den kann Sarah im Notdienst aber nicht erreichen. Und so wird die Literatur durchforstet um die passende Dosierung auf Rezept und Etikett aufzubringen. Am liebsten hätten beide einfach: „Bei Bedarf ein- bis zweimal täglich dünn auf die betroffenen Hautstellen auftragen“ auf die Verordnungen geschrieben. Denn das passt ja für die meisten halbfesten Zubereitungen zum Auftragen auf die Haut. Trotzdem muss Sarah am Montag mit den Medizinern telefonieren.
„Wenn die Ärzte den Hinweis nicht aufbringen, habe ich die Arbeit“, ärgert sich Sarah. „Zeit, die mir im Handverkauf fehlt. Schlimmer noch, wenn ich übersehe, dass die Gebrauchsanweisung fehlt, werde ich bestraft und auf Null retaxiert, weil es sich laut Apothekenbetriebsordnung um eine unklare Verordnung handelt. Dem Arzt passiert nichts, das ist doch unklar und ungerecht.“
„Die Kassen sind bei der Gebrauchsanweisung auch noch wählerisch“, ärgert sich Max. Denn es reiche nicht, wenn auf dem Rezept auf die allgemein vorgeschriebenen Dosierungen aus den Tabellen für die Rezeptur in DAC/NRF hingewiesen wird. Auch eine NRF-Rezeptur unter Angabe der Nummer genügt nicht. Denn die Vorschrift fordert eine konkrete Gebrauchsanweisung.
Kaum ist die Falle umgangen, lauert schon die nächste – das Taxat. Für die Preisberechnung zieht Sarah unter einem Stapel Papier die neue Hilfstaxe hervor. Seit 1. Januar ist diese gültig. Der Deutsche Apothekerverband und der GKV-Spitzenverband haben sich auf neue Preise für die Anlagen 1 – Liste der Arzneimittelpreise – und 2 – Liste der Gefäße – geeinigt. „Die neuen Preise sollen zeitgemäß sein“, lobt Max, „eine Überarbeitung war längst überfällig, galten die Preise doch seit 2009.“
Der Preis einer hergestellten Rezeptur berechnet sich aus dem mengenanteiligen Einkaufspreis der Substanzen plus jeweils 90 Prozent Zuschlag plus Preis des Abgabegefäßes inklusive einem Zuschlag von 90 Prozent plus Rezeptur- und Festzuschlag plus 19 Prozent Mehrwertsteuer. „Den Einwaagekorrekturfaktor nicht vergessen“, ruft Max. Den kennzeichnet Sarah auf der Vorderseite des Rezeptes mit dem Buchstaben „f“. Auch alle Preise werden auf der Vorderseite des Dokumentes aufgebracht. „Hoffentlich habe ich an alles gedacht“, flüstert Sarah.