Der Bundesgerichtshof (BGH) hat einen Apotheker aus Hessen zu sechs Jahren Haft verurteilt und ein Berufsverbot verhängt. Der Angeklagte hatte ohne Rezept das Betäubungsmittel Rohypnol (Flunitrazepam) verkauft und Verordnungen im Wert von 1,6 Millionen Euro mit Krankenkassen abgerechnet, ohne Arzneimittel abgegeben zu haben.
Der Apotheker hatte die Apotheke von seinem Vater übernommen, der ein „Gutschriftensystem“ eingeführt hatte. Der Angeklagte führte dieses System fort. Kassenpatienten erhielten anstelle der ihnen verschriebenen Arzneimittel Gutschriften für ihre Rezepte. Für den Gegenwert konnten sie freiverkäufliche Waren oder Rohypnol-Tabletten erhalten.
Über dieses System soll der Apotheker Rohypnol-Tabletten in großen Mengen für Rezepte über andere Präparate oder auch Bargeld abgegeben haben. Von Januar 2006 bis August 2009 bezog er laut BGH 60.800 Packungen Rohypnol, rechnete aber nur 28 Packungen mit den Krankenkassen ab. Die Abgabe erfolgte demnach an Drogensüchtige oder an Personen, die die Tabletten an Süchtige weiterverkauften.
Aufgefallen waren zunächst die stark steigenden Umsätze der Apotheke. Früher habe die Apotheke einen monatlichen Umsatz von rund 100.000 Euro gehabt, so ein Sprecher des Landgerichts Frankfurt, das sich im Herbst 2013 mit dem Fall beschäftigt hatte. Im letzten Monat, den die Apotheke geöffnet hatte, seien es 1,5 Millionen Euro gewesen.
Nachdem die Polizei Hinweise auf dieses System erhalten hatte, schickte sie einen Testkäufer. Im Mai 2009 tauschte dieser ein Rezept im Gesamtwert von rund 3400 Euro gegen 100 Packungen Rohypnol mit insgesamt 2000 Tabletten. Im Juni und Juli erhielt der Testkäufer erneut jeweils 20 Packungen des Betäubungsmittels.
Im Januar 2013 hatte die Zentralstelle zur Bekämpfung von Vermögensstraftaten und Korruption (ZBVKG) Anklage erhoben. Im August hat das Verfahren begonnen. Dem Apotheker wurde vorgeworfen, zwischen 2005 und 2009 in Frankfurt einen „schwunghaften“ Handel mit Rohypnol-Tabletten betrieben zu haben.
Außerdem kaufte der Apotheker sogenannten „Tauschkunden“ Rezepte für 20 bis 30 Prozent ihres Wertes ab. Die Rezepte über meist besonders teure Arzneimittel, wie zum Beispiel das Immunsuppressivum Humira (Adalimumab), waren dem BGH zufolge gefälscht oder zuvor Passanten abgekauft worden. Diese Verordnungen reichte der Apotheker bei den Krankenkassen ein.
Von April bis Juli 2009 soll der Apotheker Medikamente im Wert von 1,6 Millionen Euro abgerechnet haben, ohne die Arzneimittel abgegeben zu haben. Jede gefälschte Monatsrechnung stellte aus Sicht der Richter einen Betrugsfall dar.
Der Apotheker musste sich daher wegen Betrugs in vier Fällen und der unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln in drei Fällen verantworten. Die Vorinstanzen hatten bereits gegen ihn entschieden. In dem Prozess seien zahlreiche Zeugen befragt worden, so der Sprecher, darunter Mitarbeiter der Apotheke, der Krankenkassen, des Rechenzentrums und Großhändler.
Der BGH befasste sich nun mit der Revision des Apothekers. Die Richter bestätigten die Entscheidungen der Vorinstanzen: Es sei korrekt gewesen, die drei Rohypnol-Käufe durch den Testkäufer als „Spitze des Eisbergs“ zu bewerten. Zudem sei in ausreichendem Maß festgestellt, dass die Abgabe des Betäubungsmittels an Personen aus der Drogenszene erfolgt sei. Auch die Schätzung des durch den Rezeptbetrug entstandenen Schadens sei nicht zu beanstanden, da eine genauere Bestimmung nicht möglich gewesen sei.
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