Rezeptbetrug

Letztes Urteil im Apotheker-Prozess

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Berlin -

In Neu-Ulm haben mehr als 15 Ärzte und ein Apotheker als Drahtzieher in den vergangenen 30 Jahren Krankenkassen um rund 200.000 Euro betrogen. Das Amtsgericht Neu-Ulm hat jetzt das letzte Urteil in dem Fall gefällt: Ein beteiligter Arzt aus Schwäbisch-Gmünd wurde zu zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, berichtete die Augsburger Allgemeine.

Mehr als 15 Ärzte und ein Apotheker saßen an verschiedenen Prozesstagen auf der Anklagebank. Sie sollen zwischen 2004 und 2009 in 2700 Fällen Rezepte gefälscht haben. Die Ärzte stellten dabei massenhaft Blanko-Rezepte aus, die der Apotheker dann mit Krankenkassen und Berufsgenossenschaften abrechnete.

Zudem sollen Rezepte auf Patienten ausgestellt worden sein, ohne dass diese die Medikamente jemals erhielten. Der Apotheker soll zudem Praxiszubehör als vergünstigten Klinikbedarf deklariert, aber gewinnbringend in den freien Verkauf gegeben haben.

In jedem Fall war der Neu-Ulmer Apotheker der Drahtzieher. Er war bereits vergangenes Jahr zu einer zweijährigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Der inzwischen 78-Jährige hatte einem Gerichtssprecher zufolge seine Apotheke bereits abgegeben und 150.000 Euro an die Krankenkassen zurückgezahlt.

Anfang der Woche stand nun der letzte Arzt aus der Gruppe der Beschuldigten vor Gericht. Er wurde zu einer Haftstrafe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Mehr als 900 Mal hatte er die Krankenkasse betrogen, dadurch entstand ein Schaden von rund 78.000 Euro. Einige Fälle waren laut Bericht aber bereits verjährt.

Der Arzt hatte sich jahrelang Medikamente und Praxisbedarf von dem verurteilten Apotheker liefern lassen. Über den Apotheker wurden die Rezepte mit den Krankenkassen abgerechnet, und er kassierte das Geld, ohne dass ein Patient je die Arzneimittel zu Gesicht bekam.

Der Arzt sah nach eigenen Angaben vor Gericht von dem Geld nichts – doch er sparte sich einiges, da er Sprechstunden- und Praxisbedarf vom Apotheker quasi als Bonus für seine Rezepte bekam. Dafür hätte er normalerweise etwa 2000 Euro monatlich ausgeben müssen, so der Bericht.

Die Neu-Ulmer Kriminalpolizei hatte fünf Jahre lang ermittelt. 2009 hatten mehrere Einsatztruppen eine Großrazzia in verschiedenen Arztpraxen, Privathäusern und Apotheken durchgeführt.

In allen bisherigen Prozessen hatten die Ärzte vor Gericht beklagt, finanziell sehr schlecht dazustehen, berichtet die Augsburger Allgemeine. Das soll in allen Fällen der Auslöser dafür gewesen sein, dass sie sich auf das illegale Geschäft mit dem Apotheker eingelassen hatten.

„Bei all dem Jammern der Ärzte darf man nicht vergessen, dass ein erheblicher Schaden entstanden ist“, sagte dagegen Richterin Gabriele Buck vom Neu-Ulmer Amtsgericht. Die Leidtragenden seien die Krankenkassen, vor allem aber auch die Endverbraucher, die wegen solcher Fälle mehr Geld bezahlen müssten, da dadurch der Krankenkassenbeitrag steige.

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