Eine Revision kann ein unangenehmes Erlebnis sein, wenn der Pharmazierat schlecht gelaunt und übertrieben streng ist. Es kann aber auch kollegial und lustig zugehen. So jedenfalls hatte Apotheker Christoph Dahlem aus dem saarländischen St. Ingbert die Revision empfunden. Die Pharmazierätin ganz offensichtlich nicht. Sie beschwerte sich über Dahlem, die Apothekerkammer verhängte ein Ordnungsgeld von 2000 Euro. Der Apotheker fühlt sich ungerecht behandelt und will es auf eine gerichtliche Klärung ankommen lassen.
Mit dem Humor ist das so eine Sache – nicht jeder lacht über dieselben Witze. Mit ironischen Bemerkungen ist es noch heikler, weil man sich nie sicher sein kann, ob die Gegenseite das verbale Augenzwinkern verstanden hat. Das gilt besonders in amtlichen Situationen. Deshalb erspart man sich bei der Sicherheitskontrolle in einem US-Flughafen lieber den Witz mit der Bombe im Koffer.
Besonders explosiv kam Dahlem die Stimmung bei seiner Revision nicht vor, im Gegenteil. Nach seiner Wahrnehmung hat sich die Begrüßung in seiner Rohrbach-Apotheke im August 2017 so zugetragen: Die Pharmazierätin, eine Kollegin aus Saarlouis, war sehr pünktlich gekommen, er begrüßte sie mit den Worten: „Das fängt ja gut an.“ Und als sie darauf locker reagierte, schlug er vor, nichts zu reden, direkt anzufangen und dann wieder nach Hause zu gehen. Sie hat den Spaß nach seiner Darstellung aufgenommen und zurückgegeben, sie sei eine Frau, sie müsse viel reden. In diesem Ton, den Dahlem als unbeschwert beschreibt, sei es weitergegangen.
Die Pharmazierätin fühlte sich dagegen von diesem und weiteren Sprüchen des Inhabers angegriffen, teilweise beleidigt. „Setzen Sie sich, halten Sie den Mund, beginnen Sie zu arbeiten und dann gehen Sie wieder“, so ihre Darstellung der Begrüßungsszene. Es gibt in den Versionen der Beteiligten mehrere solcher Beispiele, bei denen man sich gut vorstellen kann, dass die Aussage so oder so gemeint gewesen sein könnte. Es kommt tatsächlich auf Tonfall und Kontext an – ob es nun um politische Themen, Umgangsformen oder auch nur Frisuren ging.
Der Bericht der Pharmazierätin zum Termin wurde im Vorstand der Apothekerkammer besprochen. Sollte sich der Apotheker tatsächlich wie berichtet geäußert haben, wäre das ein gröblicher Verstoß gegen die Berufsordnung, so die Einschätzung des Geschäftsführers Carsten Wohlfeil. Dahlem wurde zur Stellungnahme aufgefordert.
Seine Mitarbeiter und er selbst seien sehr verwundert über das Schreiben der Pharmazierätin gewesen, erklärte er gegenüber der Kammer. Diese sei am Tag der Revision sehr sympathisch und freundlich gewesen. „Es entstand direkt eine sehr vertraute, gute und wohlgesonnene Stimmung. Ich war davon überzeugt, dass unsere Chemie passte“, so Dahlem. Er leugnete nicht, die Späße wie geschildert gemacht zu haben, allerdings gebe die Kollegin den Kontext nicht korrekt wieder. Das wiederum fand er perfide.
Seine Stellungnahme schickte er deshalb in Kopie auch an die Pharmazierätin – mit dem Schlusssatz: „Charakterlich sind Sie ein Totalschaden!“ Die Kammer wertete dies als weitere Beleidigung und Beweis dafür, dass auch die anderen kritisierten Aussagen eben doch ernst gemeint gewesen seien.
Dahlem hat sich dafür bei der Pharmazierätin entschuldigt. Die unangemessene Wortwahl in seinem Schreiben sei seinem Ärger über die für ihn überraschenden Bewertung der Revision geschuldet. Auch dabei habe er nie die Absicht gehabt, sie zu beleidigen oder herabzuwürdigen, versicherte der Apotheker. Er habe den Eindruck gehabt, sie habe seine ironischen Bemerkungen als solche verstanden, und entschuldigt sich auch für dieses Missverständnis.
Was Dahlem nicht versteht: Warum hat die Pharmazierätin sich seine Bemerkungen nicht direkt vor Ort verbeten, wenn sie tatsächlich als so unkollegial empfunden hat? Ihre Erklärung: Sie hatte das Gefühl, die Situation könne eskalieren, wenn sie auf die Späße eingegangen wäre. Was der Apotheker mit „gegenseitigen Vorlagen“ gemeint habe, könne sie nicht nachvollziehen. Sie habe nie mitgemacht und einfach nur nicht widersprochen.
Dahlems Mitarbeiter schildern die Revision anders: Als Zeugen von der Kammer befragt, beschreiben sie die Prüferin als nett und locker. Sie habe sich beim Herausgehen sogar für die angenehme Atmosphäre bedankt, sagte eine Mitarbeiterin aus. Eine andere behauptet, sie habe aus dem Büro laufend Gelächter von beiden gehört.
Dahlems Ehefrau Manuela hat während der Revision die meiste Zeit mit der Pharmazierätin verbracht. Die PTA zeigt sich entsetzt von der anschließenden Bewertung. Die Gesandte der Kammer habe sich tatsächlich wie eine gute Kollegin verhalten. Von „Zeichen fast freundschaftliche Nähe“ ist in ihrer Darstellung die Rede. Selbst Mitarbeiter, die am Tag der Revision nicht vor Ort waren, gaben an, die Kollegen hätten sich anschließend ausschließlich positiv geäußert.
Dahlems Anwältin regte mehrfach an, das eingeleitete Verfahren gegen ihren Mandanten einzustellen. Die Angelegenheit werde als „sehr aufgebauscht” empfunden. Es handele sich um erwachsene Menschen und man hätte erwarten können, dass sich die Pharmazierätin entsprechend äußert, wenn sie die Situation tatsächlich als so beeinträchtigend empfunden hätte.
Doch bei der Kammer, die seit rund drei Jahren die Aufsicht der Apotheken innehat, sieht man das anders: Es entspreche dem Ratschlag der Kammer, auf Beleidigungen und aggressives Verhalten von Kollegen nicht zu reagieren, um die Situation nicht eskalieren zu lassen. Die Zeugenaussagen der Mitarbeiter erschienen der Kammer abgesprochen, weshalb sie an ihrer Entscheidung festhielt: Gegen Dahlem wurde ein Ordnungsgeld von 2000 Euro verhängt.
Der Inhaber der Rohrbach-Apotheke will das nicht auf sich sitzen lassen. Kammergeschäftsführer Wohlfeil habe ihm angeboten, alternativ einen kleineren Betrag zu spenden, berichtet Dahlem. Am Ende sei von 200 Euro an eine gemeinnützige Organisation die Rede gewesen. Doch selbst das würde der Apotheker als Schuldeingeständnis empfinden und hat widersprochen. Er will es jetzt auf eine berufsrechtliche Klärung ankommen lassen.
Seiner Anwältin zufolge hat er dabei gute Karten – schon aus rechtlichen Gründen. So sei dem Anschreiben an die Mitarbeiter bereits die Aussage der Pharmazierätin beigefügt gewesen, was eine unzulässige Beeinflussung der Zeugen darstelle. Auch sei die Aussage von Dahlem in der Vorstandssitzung pauschal als „nicht glaubwürdig“ erachtet worden. Das sei gewissermaßen eine Vorverurteilung. Die Anwältin regte erneut an, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Die Kammer war für eine Stellungnahme bislang nicht zu erreichen.
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