Reuiger Rezeptfälscher vor Gericht Silvia Meixner, 12.07.2017 11:59 Uhr
Skurriler Rezeptfälscherfall in Regensburg: Derzeit steht ein 28-Jähriger vor Gericht, der eine lange Liste von Straftaten begangen haben soll. Als Methadon-Patient klaute der Drogenabhängige ausgerechnet in der Praxis seines Arztes Rezepte. Eines unterzeichnete er mit „Florian Silbereisen“. Im vergangenen Oktober hatte er die St. Jakobs-Apotheke in Regensburg überfallen. Insgesamt werden in diesem Fall 30 Zeugen vernommen.
Apotheker Helmut Müßig war allein in der Offizin, als er an einem kalten Oktobermorgen um neun Uhr Besuch von einem merkwürdigen Kunden bekam. Der Mann hatte einen Schal um sein Gesicht gewickelt und hielt sich nicht mit Small-Talk auf: „Gib‘ mir Bromazepam. Dann passiert nichts!“, forderte er. Der Vermummte hielt ein Messer in der Hand.
Der Apotheker erzählte vor dem Landgericht: „Ich bin nicht ängstlich.“ Er griff zum Tierabwehrspray und teilte dem Räuber mit: „Du kriegst nichts.“ Das wirkte, der Mann verließ die Apotheke und wurde zwei Straßen weiter von der Polizei festgenommen. Jetzt steht der schwer drogenabhängige Regensburger wegen versuchten Raubes, versuchter schwerer räuberischer Erpressung, Diebstahls und Urkundenfälschung vor dem Landgericht.
Er zeigt sich reuig: „Die Festnahme hat mir das Leben gerettet. Sonst wäre ich drauf gegangen. Ich war mehr tot als lebendig.“ Er erzählte vor Gericht aus seinem Leben, von der Scheidung der Eltern, die ihn aus der Bahn warf: „Ich bin in ein tiefes Loch gefallen.“ Er bekam Depressionen, brach seine Ausbildung ab, begann Alkohol zu trinken, immer mehr. Dann konsumierte er Marihuana, später Amphetaminen, Crystal und Benzodiazepine. Schließlich griff er auch zu Kokain und Heroin. Er verlor Ausbildungsplatz und Wohnung.
Schließlich sah er keinen Ausweg mehr und legte sich in Selbstmordabsicht bei Plattling auf die Schienen. Der Zug stoppte rechtzeitig. Er unternahm einen weiteren Suizidversuch, der ebenfalls missglückte. Laut seinen Schilderungen begann seine kriminelle Laufbahn im Juni 2016, als er in der Arztpraxis, wo er mit Methadon substituiert wurde, zufällig eine Arzttasche erblickte.
Aus der Tasche schauten Rezepte. Er befand sich allein im Wartezimmer, die Gelegenheit war also günstig. Er nahm die Rezepte, ohne nachzudenken, an sich. Die vorgedruckten Inhalte besserte er handschriftlich aus und gab einmal als Empfänger den Namen „Florian Silbereisen“ an.
Als der Rezeptklau aufflog, beendete der empörte Arzt das Substitutionsprogramm. Dies, so der Angeklagte, habe dazu geführt, dass er noch mehr Drogen gebraucht habe. Vor Gericht sagte er: „Ich hatte Angst vor dem Entzug: Ich kannte das schon: Krämpfe, Schwindel, Übelkeit...“ Auf das Konto seiner Straftaten gingen in der Folge Diebstähle von Sportschuhen und Zigaretten sowie ein versuchter Handtaschendiebstahl.
Insgesamt werden in diesem Prozess 30 Zeugen vernommen. „Darunter sind Polizeibeamte, der Arzt und weitere Zeugen", so ein Gerichtssprecher. Laut Anklageschrift soll der mutmaßliche Täter unter anderem eine Packung Zigaretten gestohlen haben. Warenwert der Großpackung: acht Euro. Einer Frau wollte er ihre Handtasche entreißen, der versuchte Diebstahl misslang.
Wie die „Regensburger Nachrichten“ berichten, begann nun eine kleine Odyssee: Der Täter versuchte, mit den gefälschten Rezepten an Betäubungsmittel zu kommen. Er ging zu Fuß, fuhr mit dem Bus und klapperte unermüdlich Apotheken in Regensburg und im Landkreis ab. „An einem Tag waren es über 13“, sagte der 28-Jährige vor Gericht. Einige Apotheker entlarvten die Rezepte als dilettantische Fälschungen.
Sein Verteidiger versucht, für seinen Mandanten eine Unterbringung in Therapie ohne Vorwegvollzug im Gefängnis zu erreichen. Der Prozess läuft derzeit in Regensburg. Ziel von Verteidiger Helmut Mörtl ist es, für seinen Mandanten eine Unterbringung in Therapie ohne Vorwegvollzug im Gefängnis zu erreichen. Der Prozess dauert an, das Urteil wird für den 17. Juli erwartet.