Wie ist ein Sterben in Würde möglich? Muss der Staat Menschen in extremen Leidenssituationen helfen, ihr Leben selbstbestimmt und in Würde zu beenden? Dazu zeigte die ARD im Report Mainz einen Beitrag, Darin wird auch gezeigt, wie nach der Gerichtsentscheidung mit dem Urteil umgegangen wird.
Anfang März hatte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig entschieden: Unter bestimmten Bedingungen müssen Patienten ein Medikament erhalten, um in Würde zu sterben. Menschen in extremen Leidenssituationen darf es in Ausnahmefällen von staatlicher Seite nicht verwehrt werden, in Würde zu sterben. Das Persönlichkeitsrecht umfasse bei einem unheilbar kranken Menschen unter bestimmten Voraussetzungen auch das Recht zu entscheiden, wie und wann er aus dem Leben scheiden wolle. Ein höchstrichterliches Urteil mit weitreichenden Folgen.
Betroffene müssen für den Erwerb des tödlichen Betäubungsmittels einen Antrag bei der zuständigen Behörde stellen – dem Bundesministerium für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Das BfArM muss prüfen, ob der Einzelfall den Vorgaben des Urteils entspricht. Die Experten müssen also entscheiden, ob tatsächlich eine extreme Leidenssituation vorliegt.
Ärztin und MS-Patientin Ulrike Francke hat einen Antrag beim BfArM gestellt – vergebens, die Experten haben erst auf erneutes Nachfragen nach etwa vier Monaten reagiert. Der Grund: „Die besondere Tragweite des Urteils erfordert aus Sicht des BfArM eine sorgfältige Auseinandersetzung mit den rechtlichen Auswirkungen und Konsequenzen“, so die Experten gegenüber der ARD. Weiter heißt es: „Erst auf Basis dieser sorgfältigen Auseinandersetzungen, in die auch das Rechtsgutachten einfließen soll, kann das BfArM über die 43 bisher gestellten Anträge entscheiden“.
Eine „Hinhaltetaktik“, die das Leiden der Betroffenen fortsetzt und den Wunsch nach dem selbstbestimmten Tod nicht nachkommt – gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes. Nicht zuletzt weil Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe über der Behörde steht. Der Minister hatte sich klar zum Urteil und der Unterstützung des Staates geäußert.
Gröhe werde alles mögliche tun, dass eine staatliche Behörde und vor allem keine unter seinem Verantwortungsbereich „zum Handlanger einer Selbsttötung wird“. Das Fazit des Beitrags: Die Patienten haben ein Anrecht auf eine Antragsprüfung durch das BfArM. Zudem haben die Betroffenen ein Anrecht, dass sich ein Bundesgesundheitsminister an ein höchstrichterliches Urteil hält.
Kritik an dem Urteil kam auch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Die Entscheidung sei praxisfern, hieß es im März. „Denn was eine unerträgliche Leidenssituation ist, bleibt offen“, erklärte Vorstand Eugen Brysch. „Doch leiden ist weder objektiv messbar noch juristisch allgemeingültig zu definieren. Auch ist das ein Schlag ins Gesicht der Suizidprävention in Deutschland.“
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