Es gibt sie doch, die Ausgaben für Heilbehandlungen ohne Nutzenbewertung. Entdeckt haben sie die Prüfer des Bundesrechnungshofes (BRH), was sie im heute veröffentlichten Ergänzungsband zum Jahresbericht 2017 ausführen. Danach gibt es keine Nutzenbewertung für kieferorthopädische Behandlungen.
Entsprechend seien die Kosten von jährlich einer Milliarde Euro, die die Krankenkassen dafür ausgeben, nicht gerechtfertigt. In Deutschland tragen von Kindern und Jugendlichen mehr als jeder Zweite eine Zahnspange, meist für die Dauer von zwei bis vier Jahren.
„In anderen Leistungsbereichen der Gesetzlichen Krankenversicherung muss der Nutzen einer Therapie wissenschaftlich bestätigt sein. Das sollte auch bei kieferorthopädischen Behandlungen der Fall sein”, mahnt BRH-Präsident Kay Scheller und attestiert dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) und den Krankenkassen, dass sie ohne Versorgungsforschung derzeit ein Erkenntnisproblem hätten.
Der BRH kritisiert in dem Bericht außerdem, dass das Gesundheitsministerium frühere Hinweise in diese Richtung nicht aufgegriffen habe. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen und das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) hätten schon vor Jahren die fehlende Transparenz in diesem Aufgabenfeld bemängelt.
Nach jetzigem Stand haben gesetzlich Versicherte einen Anspruch auf kieferorthopädische Behandlung, wenn krankhafte Kiefer- oder Zahnfehlstellungen das Kauen, Beißen, Sprechen oder Atmen erheblich beeinträchtigen oder zu beeinträchtigen drohen. Hier fehlen belastbare bundesweite Daten, etwa über Art, Dauer und Erfolg der Behandlung, behandelte Altersgruppen, zugrundeliegende Diagnosen sowie die Zahl der abgeschlossenen Fälle und Behandlungsabbrüche.
Als die Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZBV) 2012 den Versuch unternahm, Abrechnungsdaten von Kieferorthopäden bundesweit zusammenzuführen, wurde dieser vom BMG mit dem Hinweis auf Datenschutz unterbunden.
Bereits im Jahr 2008 hatte das DIMDI als nachgeordnete Behörde des BMG darauf hingewiesen, dass es keine Studien gebe, die sich mit den langfristigen Wirkungen kieferorthopädischer Behandlungen befasst hätten. Es bestehe der Eindruck einer großen Kluft zwischen praktischer Anwendung kieferorthopädischer Maßnahmen und der wissenschaftlichen Erforschung ihrer Wirksamkeit.
Der GKV-Spitzenverband wies die Vorwürfe im Grundsatz zurück – sieht aber trotzdem Verbesserungsbedarf. „Die Leistungen müssen dem GKV-Prinzip entsprechend ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten”, sagte eine Sprecherin.
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