Oldenburg

Rats-Apotheke muss nach 419 Jahren schließen Silvia Meixner, 27.05.2017 09:12 Uhr

Berlin - 

Eine weitere Apotheke wird Opfer des Fachkräftemangels, diesmal trifft es die schöne alte Rats-Apotheke in Oldenburg. Apotheker Horst Lube wollte mit 65 in Ruhestand gehen, jetzt ist er 69. Weil er keinen Nachfolger gefunden hat, wird er Ende Juni zum letzten Mal den Schlüssel im Schloss umdrehen. Dann enden 419 Jahre stolzer Apothekengeschichte.

„Ich habe vier Jahre lang gesucht, Kollegen gefragt, mehrfach Annoncen geschaltet und auch ein Maklerbüro beauftragt. Ich habe wirklich alle Register gezogen“, erzählt Lube. Es gab zwar Interessenten, aber wenn sie die Höhe des Umsatzes hörten, winkten sie ab: „Unser Netto-Jahresumsatz liegt bei 900.000 Euro. Das ist einfach zu wenig, 1,3 Millionen ist wohl die magische Grenze.“

Die Rats-Apotheke befindet sich in bester Lage in der Innenstadt. Sie blickt auf eine ereignisreiche Geschichte zurück: „Die Apotheke ist zweimal abgebrannt“, erzählt Lube, „einmal im Jahr 1476, als durch einen Blitzschlag fast die gesamte Stadt abbrannte, und das zweite Mal im 18. Jahrhundert. Damals haben vermutlich Lehrlinge gezündelt.“

Am 26. Juni 1598 feierte man Eröffnung. Die gute alte Rats-Apotheke gehörte jahrhundertelang zum Bild der Stadt und wurde nach den beiden Katastrophen selbstverständlich wieder aufgebaut. „Es gab insgesamt 17 Inhaber, nur einmal ging der Betrieb vom Vater auf den Sohn über, sonst kamen immer neue Inhaber“, so Lube. Er bereitet sich in diesen Tagen auf den Abschied vor. „Es ist kein Prozess von heute auf morgen. Sicherlich werde ich wehmütig sein, wenn ich zum letzten Mal den Schlüssel umdrehe.“

Für viel Wehmut hat er allerdings keine Zeit. Die 150 Quadratmeter große Apotheke muss abgewickelt, die Einrichtung abtransportiert werden. Lubes Mitarbeiter, zwei Apotheker und vier PTA, müssen die Zukunft nicht fürchten: „Alle haben Jobs gefunden, wir haben sie in Oldenburg und Umgebung untergebracht.“ Es war, so Lube, kein Problem, gute Stellen zu finden.

Der letzte Arbeitstag ist der 24. Juni, danach werden die Geschäftsräume geräumt. Aber vorher gibt es einen Empfang mit dem Team und ehemaligen Kollegen. Noch sind die 164.000 Einwohner Oldenburgs optimal mit Apotheken versorgt: „Es gibt in der Stadt rund 50, aus der Schließung unseres Unternehmens ergibt sich kein Problem für die Menschen hier.“

Ganz von der Pharmazie lassen kann Lube nicht. „Ich freue mich auf mehr Freizeit, werde aber noch stundenweise als Vertretung arbeiten. Ich möchte einfach gern im Geschehen bleiben.“ Seine Hobbies sind Kajak- und Fahrradfahren und Segeln.

Immer mehr Apotheken in Deutschland müssen wegen Fachkräftemangels schließen, im ersten Quartal 2017 fiel die Zahl der Apotheken unter die „magische Grenze“ von 20.000. Auch Peter Niemeyer aus dem hessischen Frankenau kann ein Lied vom Sterben der Apotheken singen. Am 18. Mai schloss seine Apotheke für immer. „Ich hätte gerne weitergemacht“, sagt er, „aber leider haben wir für unsere Filiale niemanden gefunden.“ In Haina betreibt er mit seiner Frau die Kloster-Apotheke, er hatte monatelang vergeblich einen Apotheker gesucht.

Die aktuellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg sprechen eine deutliche Sprache: „Im Bereich der Pharmazie zeigt sich ein Mangel an Apothekern“, sagt eine Sprecherin der Abteilung Statistik und Arbeitsmarktberichterstattung, „gemeldete Stellen sind derzeit 134 Tage vakant.“

Damit liegt dieser Wert für Apotheker um 41 Prozent höher als der Durchschnitt aller Berufe. Auf 100 freie Stellen kommen bundesweit 178 Arbeitslose. „Auch die berufsspezifische Arbeitslosenquote von 1,5 Prozent deutet auf einen Mangel hin“, sagt die Expertin der Arbeitsagentur. Etwas erfreulicher ist die Lage bei PTA, die Vakanzzeit lag 2016 bei 95 Tagen, das entspricht dem Durchschnitt aller gemeldeten Stellen.