Die Geschichte der Raths-Apotheke beginnt nachweislich 1517. Damit ist sie die älteste Apotheke im Bundesland Brandenburg. Sie überstand den Dreißigjährigen Krieg, die Pest, die beiden Weltkriege, die Verstaatlichung und die Wende. Seit ihrer Gründung befindet sich die Apotheke in dem inzwischen denkmalgeschützten Haus in der Hauptstraße 34 in Brandenburg an der Havel. Nach wie vor steht die Beratung der Kunden im Vordergrund. Als erste Apotheke wurde die Raths-Apotheke vor anderthalb Jahren mit dem „Brandenburgischen Ausbildungspreis“ geehrt. Seit Jahren setzt sich Inhaberin Karin Günther für den Erhalt des PKA-Berufs ein.
Im Mittelalter waren Apotheken von Tante-Emma-Läden kaum zu unterscheiden. Neben Arzneimitteln wurden feuchteempfindliche Waren wie Tee, Zucker und Pfefferkuchen, aber auch Räucherkerzen, Papier, Tinte und Kümmelschnaps gelagert. Als der Frankfurter Erasmus Berisch 1517 die heutige Raths-Apotheke gründete, wurde er ebenso aufgefordert, Waren des täglichen Bedarfs für den „ehrbaren Rath“ vorzuhalten. Das genaue Gründungsdatum ist zwar nicht bekannt. Die Gründungsurkunde und die Stammrolle wurden vermutlich bei einem Brand vernichtet. Doch die Geschichte der Raths-Apotheke lässt sich dank Apothekerakten aus dem Brandenburger Stadtarchiv nachverfolgen.
Als der Apothekengründer 30 Jahre später starb, kam es zwischen dem Rat der Stadt und den beiden Söhnen des Apothekers zum Streit darüber, wer die Apotheke weiter führen durfte. Zwar entschied Markgraf Joachim von Brandenburg zunächst zugunsten der Apothekersöhne. Doch nur drei Jahre später wurde wie aus heiterem Himmel Lucas Scholle zum Raths-Apotheker bestellt und blieb es auch bis zu seinem Tode 1585. Er war es auch, der die erste ,,Arzneitaxe“ herausgab, in der Arzneimittel erstmals in deutscher Sprache neben dem allgemein üblichen Latein aufgeführt wurden.
Einrichtungen, die der Allgemeinheit dienten, mussten schon damals mit „Visitationen“ rechnen. Scholles Nachfolger, der Apotheker Franz Tornow, war offenbar darauf bedacht einen besonders guten Eindruck bei den Kontrolleuren zu hinterlassen und verköstigte sie den Überlieferungen zufolge unter anderem mit „5 Hammel, 30 Pfd. Schweinefleisch [...], drei Tonnen Brandenburger Bier und Wein vom Zinsmeister“. Dass die „Visitation“ im Jahr 1587 rund drei Wochen gedauert haben sollen, dürfte niemanden verwundern.
Den Dreißigiährigen Krieg mit seinen Plünderungen hat die Apotheke ebenso unbeschadet überstanden wie die Pest. Zwar sollen zwei Raths-Apotheker dem „Schwarzen Tod“ zum Opfer gefallen sein, doch das Geschäft ging weiter. Erst 1814, als die Alertsche Brauerei, die sich im Nachbarhaus befand, in Flammen aufging, wurde auch die Apotheke vom Feuer in Mitleidenschaft gezogen. „Das Hinterhaus und die erste Etage brannten vollständig aus, sodass eine neue Etage gebaut werden musste“, erzählt die heutige Inhaberin.
Bereits während der DDR-Zeiten übernahm Günther im Jahr 1987 die Leitung der damals staatlichen Apotheke. Nach der Wende wagte sie im Januar 1991 den Schritt in die Selbstständigkeit. „Auf einmal war einfach alles anders“, erinnert sich Günther. „Ich war plötzlich für die Finanzen und das Personal verantwortlich.“ Eine große Herausforderung.
Sie habe eben schnell lernen müssen, sagt die Apothekerin heute nüchtern. Bis auf einige Seminare, an denen sie genau wie viele andere Ost-Apotheker teilgenommen hat, musste sie sich alles selbst beibringen. „Bestimmt haben wir auch Fehler gemacht“, sagt sie. „So groß können sie aber nicht gewesen sein. Schließlich gibt es die Raths-Apotheke ja immer noch.“
Als Chefin hatte Günther klare Vorstellungen, was die Gestaltung Raths-Apotheke betraf. Innerhalb nur weniger Wochen nach der Privatisierung entstand in dem denkmalgeschützten Haus eine moderne Apotheke, „die sich sehen lassen kann“. Das Sortiment sei um „Kosmetik und Babypflegeartikel sowie Präparate für die Mundhygiene, Fußpflege und vieles mehr“ erweitert worden. Mehr als 25 Jahre sind seitdem vergangen. Wer heute die moderne Raths-Apotheke besucht, wird kaum glauben, dass hier der Atem von 500 Jahren Geschichte durch die Räume weht.
Moderne Kommunikation, breites Angebot an Arzneimitteln, Homöopathie, Phytopharmalka: Die Dienstleistungspalette der Raths-Apotheke hat wohl alles, was das Kundenherz begehrt. Doch im Vordergrund stehe die kompetente Beratung der Patienten, betont die Pharmazeutin. Die wichtigste Voraussetzung für eine gute Rund-um-Betreuung seien qualifizierte Fachkräfte, sowohl im pharmazeutischen als auch im kaufmännischen Bereich. Deshalb kümmert sich die Apothekerin mit Leidenschaft um Ausbildung von jungen Menschen. Seit Jahren setzt sie sich für den Erhalt des PKA-Berufs ein. „Ich kann entweder über die schlechten Absolventen meckern oder eben selbst Fachkräfte ausbilden“, sagt die Pharmazeutin. „Es ist zeitaufwendig, aber es lohnt sich.“
Ende 2015 wurde Günther dafür sogar mit dem „Brandenburgischen Ausbildungspreis“ ausgezeichnet. Die Raths-Apotheke ist damit die erste Apotheke überhaupt, die den seit zwölf Jahren vergebenen Preis erhalten hat. „Ursprünglich wollte ich Lehrerin werden“, schmunzelt sie. „Vielleicht bringe ich deshalb so gern jungen Menschen etwas bei.“ Bis 2007 war die Apothekerin Vorsitzende des Prüfungsausschusses der brandenburgischen Apothekerkammer. Etwa 1000 Auszubildende hat sie dabei zum Abschluss begleitet. Auch für mehr Gerechtigkeit und Transparenz des Prüfungsgeschehens soll sich die Apothekerin eingesetzt haben.
Auch die Zukunft der Raths-Apotheke scheint gesichert. Die Tochter der Pharmazeutin, Berit Günther, ist in die Fußstapfen der Mutter getreten und hat Pharmazie studiert. Vor zwei Jahren hat sie ihr drittes Staatsexamen absolviert und zunächst in anderen Apotheken gearbeitet. Seit Januar ist die junge Pharmazeutin in die elterliche Apotheke zurückgekehrt und will in einigen Jahren die Nachfolge ihrer Mutter antreten.
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