„Evidenz der Vernunft“

Querdenker-Bescheinigungen: Behörden eingeschaltet

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Berlin -

Die fragwürdigen Immunitätsbescheinigungen, die eine Berliner Ärztin anbietet, könnten ein juristisches Nachspiel haben: Das bayerische Gesundheitsministerium hat mehrere Stellen eingeschaltet, um dem Treiben nachzugehen, darunter auch Strafverfolgungsbehörden.

Mit einer sogenannten „Bürgerinitiative Evidenz der Vernunft“ will die Diabetes-Ärztin Dr. Elke Austenat seit vergangenem Sommer eine Datengrundlage schaffen, um zu belegen, dass die Mehrheit der Bevölkerung bereist aufgrund unbemerkter Durchseuchung immun gegen Covid-19 seien – und Impfungen gegen das Virus damit unnötig. Dazu sollen Teilnehmer an einer von ihr selbst durchgeführten „Pilotstudie“ einen Fragebogen ausfüllen und dann einen Antikörpernachweis hochladen.

Für diejenigen mit positivem Antikörpertestergebnis stellt Austenat auf der Seite eine Musterbescheinigung zur Verfügung, mit der Teilnehmer belegen sollen, dass bei Ihnen eine Immunität gegen Sars-CoV-2 vorliegt. „Eine Impfung oder Wiederholungsimpfung gegen Covid-19 wird als nicht geboten attestiert“, heißt es im vorangekreuzten Feld. Vor diesen Bescheinigungen warnte kürzlich die LAK Rheinland-Pfalz: „Insbesondere scheint problematisch, dass wohl einige Apotheken diese Immunitätszertifikate als Grundlage für die Erstellung eines EU-Covid-Genesenennachweises verwenden, was gemäß § 23 Nr. 5 Covid-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung (SchAusnahmV) nicht zulässig ist“, so das von Geschäftsführer Dr. Tilman Scheinert unterschriebene Rundschreiben. „Weiterhin wird interessierten Kreisen dort ein Dokument zum Download zur Verfügung gestellt, mit dessen Vorlage Apotheken dazu gebracht werden sollen, ein Genesenenzertifikat widerrechtlich auszustellen, insbesondere durch Hinweis auf ein vermeintliches Haftungsrisiko der Apotheken.“

Der Hinweis auf diese Vorgehensweise sei vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP) gekommen, so die LAK. Das wiederum bestätigt nun auf Anfrage, dass ihm mindestens ein Fall bekannt ist, bei dem jemand versucht hat, einen solchen Nachweis als offizielles Zertifikat zu nutzen – und dass das eine Kaskade von Behördenbenachrichtigungen nach sich gezogen hat.

Ausgangspunkt sei dabei eine Firma im Oberallgäu gewesen. Nachdem ein dortiger Mitarbeiter versucht hatte, mit einer Bescheinigung von „Evidenz der Vernunft“ zu belegen, dass er sich nicht gegen Corona impfen lassen muss, erkundigte sich das Unternehmen beim Gesundheitsamt. Dessen Antwort war klar und es meldete den Fall an die Regierung von Schwaben, das ihn wiederum an das StMGP weitermeldete.

Für das Ministerium ist es bisher ein Einzelfall: „Weitere konkrete Fälle, in denen Atteste der Seite eingesetzt wurden, sind dem StGMP nicht bekannt“, so eine Ministeriumssprecherin auf Anfrage. Es ist jedoch davon auszugehen, dass es bundesweit nicht bei einem Fall geblieben ist – laut Austenats Seite haben sich bis zum 4. Januar 23.151 Personen beteiligt, von denen bei 3873 die Immunität geprüft worden sei.

Also hat das Ministerium weitere Behörden eingeschaltet: „Aufgrund der fehlenden Rechtskonformität des Angebots der Seite wurde die Angelegenheit durch das StGMP an das Land Berlin weitergegeben, wo laut Impressum der Firmensitz der Seite zu verorten ist.“ Und nicht nur das: Das StGMP hat nach eigenen Angaben auch das bayerische Justizministerium und die lokalen Strafverfolgungsbehörden eingeschaltet sowie die Bayerische Apothekerkammer und die Bundesapothekerkammer über die Vorgänge informiert. Ob bei den Behörden bereits Ermittlungen eingeleitet wurden, kann das Ministerium auf Anfrage noch nicht bestätigen.

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