Die Deutschen sind immer unzufriedener mit dem Gesundheitswesen – auch weil dessen Digitalisierung nicht vorankommt. Zu diesem Ergebnis kommt PricewaterhouseCoopers (PwC) in einer am Mittwoch veröffentlichten Studie. Die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft hat in ihrem „Healthcare-Barometer 2019“ die Haltung der Bundesbürger zu Ärzten, Kliniken, Krankenkassen und Arzneimittelherstellern untersucht – und hat auch für die Apotheken vor Ort unerfreuliche Nachrichten.
Das Gute zuerst: „Deutschland hat noch immer eine medizinische Versorgung auf sehr hohem Niveau“, sagt Michael Burkhart, Leiter des Bereichs Gesundheitswirtschaft bei PwC. Zusammengenommen sind die Deutschen nach wie vor recht zufrieden mit ihrem Gesundheitssystem, doch die Tendenz zeigt eindeutig nach unten. 55 Prozent der 1000 Befragten sehen das deutsche Gesundheitssystem als eines der drei besten weltweit. Vor zwei Jahren waren es mit 64 Prozent noch deutlich mehr.
So zeigten sich die Befragten vor allem mit der Behandlung durch die Ärzte wenig begeistert: Nur ein Drittel der Befragten ist rundum zufrieden. 40 Prozent sind der Meinung, ihr Arzt nehme sich zu wenig Zeit für sie, 22 Prozent sagen gar, sie fühlen vom Arzt und seinen Angestellten nicht ernstgenommen. „Umso wichtiger ist es, dass Ärzte wieder mehr Wert auf den Faktor Mensch legen, und sich gleichzeitig Entlastung bei Routineabläufen suchen, etwa durch digitale Technologien“, schlussfolgert Burkhart.
Auf hohem Niveau leicht bergauf geht es hingegen mit dem Bild der Kassen: 86 Prozent der Befragten ist mit den Leistungen der GKV einverstanden, zwei Prozent mehr als im Vorjahr. Vermutlich spiegele sich darin die gute wirtschaftliche Lage der Kassen, die es ihnen erlaubt, auch Zusatzleistungen zu bewilligen, vermutet Burkhart. Ebenfalls bergauf, wenn auch von bedeutend niedrigerem Niveau geht es mit dem Image der Hersteller: Zwar betrachten sie noch immer 69 Prozent eher als Unternehmen, die auf Gewinnmaximierung ausgerichtet sind, denn als innovative Unternehmen, die mit ihren Produkten Menschen heilen – das tun nur 20 Prozent. Doch der Branche ist es kontinuierlich gelungen, ihr Image zu verbessern und Vertrauen aufzubauen: 2014 äußerten noch 76 Prozent den Vorwurf der Gewinnorientierung, lediglich 15 Prozent sahen die Unternehmen als Innovatoren.
Während sich die Pharmaunternehmen über einen kleinen Imageschub freuen können, bieten die Ergebnisse für die Apotheken vor Ort Anlass zur Sorge: Zwei Drittel bestellen ihre Arzneimittel schon online – und bald könnten es drei Viertel sein. Demnach haben 48 Prozent angegeben, Medikamente schon häufiger online bestellt zu haben, 18 Prozent gaben an, das schon schon einmal getan zu haben. 10 Prozent sagen, „bislang noch, plane es aber zukünftig zu tun“. Nur ein knappes Viertel der Befragten kreuzte an, dass es noch nie Arzneimittel online bestellt hat und „das auch in absehbarer Zeit“ nicht vor habe.
Ebenfalls bitter für die Vor-Ort-Apotheke: Gut drei Viertel der Befragten geht es dabei vorrangig ums Geld. Für 76 Prozent ist der Preis das entscheidende Kriterium bei der Wahl einer Online-Apotheke. Offenbar sind sich die Internetkunden ihrer Sache aber trotzdem nicht so sicher: Mehr als cdie Hälfte gab an, dass sie bei Bestellungen aus dem EU-Ausland Angst vor gefälschten Medikamenten hat. Weitere Studienergebnisse zum Apothekenversandhandel will PwC in Kürze gesondert veröffentlichen.
Für Burkhart sprechen die Zahlen zum Onlinehandel mit Arzneimitteln dafür, dass die Patienten digitaler sind als das Gesundheitswesen. „Im Wachstumsmarkt Medikamentenversandhandel zeigt sich, dass digitale Technologien im Alltag der Versicherten längst angekommen sind. Sie müssen auch in den weiteren Bereichen der Medizin Einzug halten.“
Er führe die sinkende Zufriedenheit auch darauf zurück, „dass wir beim Zukunftsthema E-Health kaum vorankommen“, so Burkhart. Denn bei der Digitalisierung herrsche hierzulande einiger Nachholbedarf: „In anderen Ländern ist die elektronische Patientenakte, die zeitlich flexible Wertemessung per App oder die ortsunabhängige Behandlung per Video-Chat längst Wirklichkeit, in Deutschland kommen digitale Technologien erst langsam beim Patienten an.“ Im internationalen Vergleich liege Deutschland in puncto technologische Entwicklung weit zurück.
Erst vor gut zwei Wochen kam eine Bertelsmann-Studie zur Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens im internationalen Vergleich zum selben Ergebnis. „Bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen hinkt Deutschland deutlich hinterher“, so das unmissverständliche Urteil der Studienautoren. Die Bundesrepublik landete auf Platz 16 von 17 untersuchten OECD-Staaten. Nur in Polen sieht es demnach noch schlechter aus.
Wie können wir bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens zu unseren Nachbarn aufschließen? Und wie können die Apotheken als Gewinner aus diesem Wandel hervorgehen? Diese und weitere zentrale Fragen rund um den digitalen Wandel stehen im Mittelpunkt der Digitalkonferenz VISION.A von APOTHEKE ADHOC. Rund 30 hochkarätig Top-Speaker widmen sich am 20. und 21. März in Berlin dem wichtigsten Zukunftsthema der Branche. So erklärt Dr. Tu-Lam Pham, wie Technologie und soziale Medien Gesundheit und Fitness auf der ganzen Welt verändern, und Dunja Hayali zeigt auf, wie man mit kontroversen Diskursen in sozialen Medien umgeht. Außerdem spricht neben Professor Dr. Viktor Mayer-Schönberger, Koryphäe auf dem Gebiet des datengetriebenen Kapitalismus, unter anderem Professor Dr. Jürgen Schmidhuber, einer der Väter der Künstlichen Intelligenz, dessen Algorithmen von Apple über Facebook bis Google Anwendung finden. Mit den VISION.A Awards werden auch in diesem Jahr wieder die innovativsten Konzepte und Geschäftsideen ausgezeichnet. Das ganze Line-Up, alle Informationen und Tickets gibt es unter: vision.apotheke-adhoc.de
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