Pfusch-Prozess

PTA beklagt Hygiene-Missstände

, , Uhr aktualisiert am 06.12.2017 15:38 Uhr
Berlin -

Im Prozess um angeblich gestreckte Krebsmedikamente hat PTA Marie Klein von schweren Hygiene-Missständen im Labor des angeklagten Bottroper Apothekers Peter S. berichtet. Außerdem sagte sie aus, wie sie den Fall zur Anzeige brachte – und welche Folgen das hatte.

Klein war von Martin Porwoll eingeweiht worden. Der kaufmännische Leiter hatte für fünf Wirkstoffe die Abrechnungs- und Einkaufslisten abgeglichen und war auf gravierende Unterschiede gestoßen. Weil die Ermittler auf weitere Beweise drängten, stellte sie einen Infusionsbeutel sicher, der angeblich Cyramza enthielt und den sie zuvor aus einer Praxis abgeholt hatte. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) teilte später in seinem Abschlussbericht mit, dass in dem Beutel kein Wirkstoff war.

Sie habe monatelang den Verdacht gehabt, dass Krebsmedikamente nicht richtig dosiert worden seien, berichtete Klein am Mittwoch als Zeugin vor dem Essener Landgericht. So hätten beispielsweise hergestellte Antikörper-Therapien nach einem Schütteln nicht aufgeschäumt, wie es eigentlich hätte sein müssen.

Klein schildete laut Correctiv-Bericht auch ihre schwierige Zeit in der Alten Apotheke. „Es war wie ein Puzzle, es kam immer ein Steinchen hinzu.“ Immer wieder seien Vorschriften nicht eingehalten worden. Wenn S. Krebstherapien herstellte, hieß es, er gehe „spielen“. Klein sah ihn in Straßenkleidung und mit Handy im Labor. Dass er immer alleine Therapien zubereitet habe, sei ungewöhnlich, weil Inhaber sonst selten selbst im Sterillabor arbeiteten, so Klein.

Klein habe S. fast jeden Tag in Straßenkleidung im Labor gesehen, schreibt Correctiv. Auf dem Linoleumboden des Labors seien nach der Arbeit des Apothekers häufig Pfützen von Wirkstoffen zu finden gewesen. „Im Wischmob, mit dem wir das Labor reinigten, waren zahlreiche Hundehaare“, sagt Klein weiter. Und dass ein Mitarbeiter mit dem Kürzel von S. die Herstellungsprotokolle von Antikörpertherapien unterzeichnete.

Außerdem fragte der Richter, ob Klein Kontakt mit Pharmavertretern gehabt habe. Sie erinnere sich an einen Vertreter von Hexal, den sie einmal kurz gesehen habe. Er habe aber keine Wirkstoffe dabei gehabt. „Kein Mensch transportiert gerne Zytostatika im eigenen Kofferraum“, zitiert Correctiv die PTA. Die Verteidiger hatten argumentiert, S. habe Medikamente aus dem Kofferraum gekauft. Der Generikakonzern wies das prompt zurück.

„Schnell war eines der Worte, die täglich in der Apotheke fielen. Schnell, schnell, schnell.“ Das System sei streng hierarchisch gewesen, sodass niemand sich traute etwas zu sagen, zitiert Correctiv die Zeugin. Laut Klein hatte die Mutter von S., der heute die Apotheke wieder gehört, früher ganz normal im Betrieb gearbeitet. Sie kontrollierte demnach hochpreisige Rezepte. Auch der Vater von S. sei sporadisch in der Apotheke gewesen.

Klein beschrieb ihren inneren Kampf auszusagen oder nicht. Ihr kamen die Tränen. „Ich konnte nicht mehr mit ansehen, was da passierte“, wird sie im Correctiv-Bericht zitiert. Ihre Entscheidung sei bestärkt worden, als Porwoll sie eines Tages gebeten habe, die Therapien für seine Schwiegermutter herzustellen. Sie sei an Krebs erkrankt gewesen und Porwoll habe sicherstellen wollen, dass nicht S. die Therapien herstellte. „Ich möchte, dass es wirkt“, soll er gesagt haben.

Kurz nach der Razzia in der Alten Apotheke wurde Klein aus der Whatsapp-Gruppe der Mitarbeiter gelöscht. Dann lag die fristlose Kündigung im Briefkasten. „Das hat mich erschüttert. Der ganze Kollegenkreis brach weg.“ Für die Weitergabe interner Kenntnisse ist die Ex-Mitarbeiterin der Apotheke mit einem Whistlebower-Preis ausgezeichnet worden.

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