Apps oder Videosprechstunde

Psychotherapeuten warnen vor Apps dpa/APOTHEKE ADHOC, 07.09.2020 10:34 Uhr

Apps zur Unterstützung bei Depressionen sehen Psychotherapeuten kritisch. Hingegen könnte eine Online-Sprechstunde eine sinnvolle Therapieergänzung sein. Foto: shutterstock.com/ Mar Godoy
Berlin - 

Gesundheits-Apps gibt es viele. Anwendungen zur Unterstützung bei psychischen Erkrankungen wie Depression sieht die Landespsychotherapeutenkammer in Rheinland-Pfalz jedoch kritisch. Während der Pandemie ist auch das Angebot an Videosprechstunden gestiegen. Vor Corona haben nur sehr wenige Psychotherapeuten auf Online-Sprechstunden gesetzt. Je nach Situation des Patienten kann diese Art der Therapie eine gute Alternative oder Ergänzung darstellen, so die Präsidentin der Landespsychotherapeutenkammer, Sabine Maur.

Die Landespsychotherapeutenkammer in Rheinland-Pfalz hat vor zu hohen Erwartungen an digitale Gesundheitsapps und -programme gewarnt. „Die Qualität muss geprüft werden: Was bringt nach vorne und was ist Irreführung“, sagte die Präsidentin der Standesvertretung, Sabine Maur, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. „Ein App, die „per Mausklick“ gegen Depressionen helfen soll, ist eine Irreführung von psychisch belasteten Menschen, die Hilfe suchen.“ Von September an werde es eine Reihe neuer Apps zur Therapie für psychische Erkrankungen geben, von denen einige auch verschrieben werden dürften, sagte sie.

Denn: „In der Regel sind das digitale Selbsthilfe-Angebote ohne Kontakte zu Psychotherapeuten“, sagte Maur. Und: „Wenn jemand mit Depressionen an einer solchen App scheitert, können die Depressionen noch schlimmer werden.“ Vorsicht sei auch geboten bei Onlinetherapie-Angeboten, die mit irreführender Werbung Erwartungen schürten, aber beispielsweise nicht mehr als zwei halbstündige Telefonate mit einem Psychologen – nicht Therapeuten - böten. Andere digitale Angebote ließen sich gut in eine Therapie einbauen, beispielsweise für Patienten, die zwischen den Therapiestunden Verhaltens-Tagebuch führen sollten. Auch die Wartezeit auf einen Therapieplatz könne mit digitalen Selbsthilfe-Apps überbrückt werden. „Da gibt es auch spannende Innovationen.“

Viele empfohlene Apps hätten schon jetzt hohe Abbruchraten, ergänzte Geschäftsführerin Petra Regelin. „Sie können sich nicht durchsetzen, weil die Bindung an den Menschen fehlt. Die ist viel größer, wenn ein Psychotherapeut sie mit einbaut.“ Das Versorgungsproblem an Psychotherapeuten lasse sich damit nicht lösen. Es gehe um Menschen mit psychischen Erkrankungen, betonte Maur. „Bei körperlichen Erkrankungen würde man auch nicht sagen: Das kann alles die App lösen.“

Video-Sprechstunde

Das Angebot der Psychotherapie über Video hat in den letzten Wochen stark zugenommen: Vor der Corona-Pandemie haben dies rund 5 Prozent der niedergelassenen Therapeuten in Rheinland-Pfalz angeboten, jetzt sind es fast 80 Prozent. „Die Erfahrungen sind gemischt“, sagte die Präsidentin der Landespsychotherapeutenkammer, Sabine Maur, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. „Face to Face ist schon der Goldstandard. Beziehung und Privatsphäre sind dann ganz anders.“ Die Körpersprache sei bei Videoschalten dagegen fast gar nicht erkennbar, Mimik und Blickkontakte nur eingeschränkt.

Besonders sinnvoll sei Videotherapie allerdings bei weiten Wegen oder körperlichen Einschränkungen. Nahezu unmöglich sei sie dagegen mit jüngeren Kindern, sagte Maur. „Und ältere Menschen haben oft nicht die technische Ausstattung dafür.“ Nicht jeder Patient – gerade Jugendliche oder auch mancher Ehepartner – könne sich in einen ungestörten Raum für die Psychotherapie-Schalte zurückziehen. Dies sei aber unbedingt notwendig. Bei Gruppen fehlten die technischen Möglichkeiten, die Konferenzsoftware ausreichend zu verschlüsseln.

Wegen des Videoformats hätten aber nur wenige Patienten eine Psychotherapie abgebrochen. Vielen Menschen mit psychischen Erkrankungen fühlten sich isoliert und ihre Vereinsamung sei in der Corona-Pandemie noch gestiegen, weil Kontakte nicht da waren oder Hobbys wie etwa Singen, Musik oder Sport wegfielen. Bei neuen Patienten böten die Psychotherapeuten in der Regel zumindest das erste Gespräch direkt in der Praxis an, anschließend gebe es oft einen Mix aus Videoschalten und direkten Therapiesitzungen. Videotherapie sei deshalb weiter wichtig, um in der Pandemie die psychotherapeutische Versorgung von psychisch kranken Menschen zu sichern.