Dem „Pfusch-Apotheker“ aus Bottrop wird der Prozess gemacht. Laut dem Rechercheverbund Correctiv hat das Landgericht Essen (LG) die Anklage zugelassen. Peter S. muss sich demnach ab dem 13. November verantworten. Das Gericht will einem Sprecher zufolge erst morgen eine Erklärung abgeben.
Die Staatsanwaltschaft hatte am 11. Juli Anklage gegen den 47-jährigen Apotheker erhoben. S. wird vorgeworfen, von Anfang 2012 bis zu seiner Festnahme am 29. November 2016 bei der Herstellung von Sterilrezepturen von den geltenden Herstellungsregeln und ärztlichen Verordnungen abgewichen zu sein.
Die Anklage geht von 61.980 Fällen aus, in denen er Zubereitungen unter Verstoß gegen die Vorschriften in den Verkehr gebracht hat. Jeder einzelne Fall wird als besonders schwerer Fall des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz (AMG) qualifiziert – hier drohen jeweils bis zu zehn Jahre Haft. Diese Fälle umfassen alle Abgaben von Zubereitungen aus einer Liste von 35 Medikamenten, bei denen die Staatsanwaltschaft signifikante Mengenabweichungen bei Einkauf und Abrechnung festgestellt hat. Bei der Festnahme wurden zum Teil Präparate mit weiteren Wirkstoffen sichergestellt.
S. wird zur Last gelegt, die Beschaffungspraxis der Apotheke systematisch so ausgerichtet zu haben, dass es von vornherein unmöglich war, die große Vielzahl der von ihm vertriebenen Zubereitungen mit den verschriebenen Wirkstoffen in den verschriebenen Mengen herzustellen. Er soll die Zubereitungen daher in einer nicht näher quantifizierbaren Vielzahl von Fällen mit deutlich weniger Wirkstoff als ärztlich verordnet in den Verkehr gebracht haben.
Aufgeflogen war der mutmaßliche Betrug dank zweier ehemaliger Mitarbeiter: Marie Klein und Martin Porwoll hatten Beweise gesammelt und waren dann als Whistleblower an der Aufklärung des Skandals beteiligt. Sie hatten sich ausführlich gegenüber Correctiv geäußert.
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hat als Konsequenz aus dem Krebsmittel-Skandal zwar inzwischen die Apothekenüberwachung verschärft. Doch mit seiner Ankündigung, die Adressen der betroffenen Patienten ausfindig zu machen und dafür zu sorgen, dass sie informiert werden, ist er nicht weit gekommen. Das Ministerium habe ein Auskunftersuchen an die Staatsanwaltschaft gestellt, sagt eine Sprecherin Laumanns. Eine Rückmeldung stehe noch aus. Die Namen und Adressen der Patienten lägen dem Ministerium bislang nicht vor.
In Bottrop demonstrieren Betroffene des Zyto-Skandals. Zu dem Protestmarsch mit rund 150 Teilnehmern durch die Bottroper Fußgängerzone bis zur Alten Apotheke hatte Heike Benedetti aufgerufen. Auch die 56-Jährige könnte im Rahmen ihrer Krebsbehandlung gepantschte Zyto-Rezepturen erhalten haben und wünscht sich mehr Transparenz bei der Aufklärung.
Laut einem Bericht der WAZ soll es morgen eine weitere Demo geben, Benedetti hat demnach 200 Teilnehmer angemeldet. Laut Bericht wollen sich diesmal auch Politiker an dem Protestmarsch beteiligen, deren Fehlen bei der ersten Demo kritisiert worden war.
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