Jeder zweite Bundesbürger fürchtet, im Alter nicht das passende Pflegeheim zu finden. Das ist das Ergebnis einer in Berlin vorgestellten Emnid-Umfrage im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. „Das ist nach zehn Jahren Pflege-TÜV ein besorgniserregender Befund“, sagte der Gesundheitsexperte der Stiftung, Stefan Etgeton.
Seit Jahren wird hinter den Kulissen des Gesundheitswesens um eine Reform des Pflege-TÜV mit seinen Noten für die Heime gerungen. Doch vor Mitte nächsten Jahres sollen laut den Pflegekassen keine offiziellen Vorschläge dafür vorliegen. Die Bertelsmann Stiftung forderte eine benutzerfreundliche, aussagekräftige Online-Heimsuche.
Kritiker werfen dem Pflege-TÜV seit Jahren vor, die Unterschiede der Heime nicht aussagekräftig genug abzubilden. Etgeton sagte: „Heute finden Pflegebedürftige und ihre Angehörigen auf viele Fragen keine Antworten, wenn sie etwa ein Heim suchen.“ Laut der neuen Umfrage sehen 55 Prozent der Deutschen starke Qualitätsunterschiede zwischen den Heimen. Bei Menschen, die bereits einmal ein Pflegeheim gesucht haben, sind es sogar 66 Prozent.
Die Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Ingrid Fischbach, mahnte Heimbetreiber und Kassen zur Eile. „Die Selbstverwaltung der Pflegeverbände sollte ihren gesetzlichen Auftrag für den neuen Pflege-TÜV sehr ernst nehmen und diesen zügig umsetzen“, sagte die CDU-Politikerin der Frankfurter Allgemeine Zeitung. Die Bundesregierung werde nicht zulassen, dass der neue Pflege-TÜV „ein Rohrkrepierer“ werde.
„Die Reform des Pflege-TÜV ist dringend nötig und überfällig“, betonte auch Etgeton. Bereits Anfang 2014 wurde das Benotungssystem verschärft – doch weiterhin standen als zu gut empfundene Testergebnisse in der öffentlichen Kritik. Deshalb gab der Gesetzgeber den Betreibern und Krankenkassen im Jahr darauf auf, ein neues Heim-Bewertungsverfahren als Ersatz für die bisherigen Pflegenoten zu entwickeln. Für die Heime sollten bis Ende vergangenen März Ergebnisse vorliegen, anhand derer neue Prüfungsinstrumente entwickelt werden sollten.
Doch die Frist wurde nicht eingehalten. Heimbetreiber und Kassen bildeten ein neues Gremium, einen Qualitätsausschuss. Es folgte eine europaweite Ausschreibung für das Reformprojekt. Wissenschaftler arbeiteten nun seit einem halben Jahr an einer neuen Grundlage für eine bessere Qualitätsmessung und Qualitätsdarstellung, sagte Gernot Kiefer vom Vorstand des Spitzenverbands der gesetzlichen Kassen.
„Wir rechnen damit, dass deren Ergebnisse im Sommer 2018 vorliegen“, so Kiefer. Dann werde umgehend mit der Umsetzung begonnen. „Die Umfrage der Bertelsmann Stiftung hat einmal mehr deutlich gemacht, wie wichtig das Thema Pflegequalität und Transparenz ist.“
Heute sei beim Pflege-TÜV völlig unterbelichtet, wie die Lebensqualität in einem Heim sei, sagte Etgeton. „Ob man ein Haustier mitnehmen kann, einen Garten nutzen oder ob es religiöse Angebote gibt, wird heute gar nicht systematisch erhoben.“ Auch wieviele Bewohner eine Pflegekraft betreuen müsse, bleibe den Betroffenen bei der Heimsuche verborgen.
Die Stiftung und ihr Internetportal „Weisse Liste“, das Qualitätsunterschiede im Gesundheitswesen aufzeigen will, schlugen einen neuen Pflege-TÜV vor. Darin sollten Informationen zur Pflegequalität, zum Personaleinsatz in einem Heim und Angaben zu für die Lebensqualität wichtigen Merkmalen eines Heims online abrufbar sein.
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