Die Deutsche Aids-Hilfe und die AOK wollen ab September ein gemeinsames Gütesiegel vergeben: „Praxis Vielfalt“ soll an Arzt- und Zahnarztpraxen verliehen werden und HIV-positiven sowie nicht heteronormativen Patienten signalisieren, dass sie dort gut aufgehoben sind. Dazu werden Fortbildungsmaterialien erarbeitet und Schulungen durchgeführt.
Diskriminierung, Schweigepflichtverletzung, Benachteiligung bei der Terminvergabe und in Extremfällen sogar die Weigerung, einen Patienten zu behandeln: Die Beschwerden, die bei der Kontaktstelle zu HIV-bezogener Diskriminierung eingehen, lassen erahnen, wie oft sowohl HIV-positive als auch LSBTQ-Menschen ungerechter Behandlung ausgesetzt sind. LSBTQ steht für lesbische, schwule, bisexuelle Menschen sowie Transgender- und queere Personen. Wie für allen anderen Menschen auch sollten Ärzte und Apotheker eigentlich Vertrauenspersonen für sie sein, doch viele können genau dieses Vertrauen nicht aufbauen, weil sie schlechte Erfahrungen mit dem Gesundheitspersonal machen.
Dafür Bewusstsein und Betroffenen Anlaufstellen zu schaffen, in denen sie sich sicher fühlen können, haben sich beide Partner verschrieben. Das Projekt „zielt darauf ab, einen konkreten Beitrag zur diskriminierungsfreien Gesundheitsversorgung zu leisten“, so die Aids-Hilfe. Finanziert wird es durch Mittel der AOK Gesundheitskasse.
Bei Konzeption und Entwicklung wurden deshalb Akteure mit vielerlei Hintergründen eingebunden, von Menschen mit HIV über LSBTQ-Personen, Ärzten bis hin zu HIV-Fachgesellschaften sowie LSBTQ- und Migrantenorganisationen. Gemeinsam haben sie Qualitätsstandards entwickelt, die für eine diskriminierungsfreiere Versorgung der genannten Gruppen stehen sollen.
Die Einbeziehung von Lebenswelten von Menschen mit HIV und LSBTQ-Personen mit ihren vielfältigen kulturellen und sprachlichen Hintergründen in die Arbeit der jeweiligen Einrichtung ist ein solcher Standard, der sensible und korrekte Umgang mit Diagnosen und persönlichen Daten ein anderer. Die Patienten sollen „alle für sie wichtigen Themen auf gleicher Augenhöhe ansprechen können“, so die Aids-Hilfe. „Ziel ist, die gesamte Praxis als einen sicheren Ort für alle zu gestalten.“
Doch nicht nur der respektvolle Umgang sei ausschlaggebend, sondern auch die inhaltliche Expertise: Von den Praxen wird erwartet, ihr Fachwissen zu ergänzen und auf spezielle Angebote für Menschen mit HIV und LSBTQ-Personen zu verweisen.
Auf dieser Basis haben die Beteiligten Schulungsmaterial erarbeitet, bestehend aus Checklisten, Anleitungen für Teamgespräche, Lernquiz, Kurzvideos mit Fallbeispielen, die zur Reflektion der eigenen Arbeit anregen, sowie Webinaren zu aktuellen Themen. Ist das gelernte Wissen vertieft worden, soll der Qualifizierungsprozess mit einer persönlichen Schulung vor Ort abgeschlossen werden.
Bis Ende des Jahres sollen so zehn Praxen und eine Universitätsambulanz in einer Pilotphase zertifiziert werden. Das hat auch zum Ziel, die regionale Vernetzung zu stärken: Zuständig für die Schulungen sind Aids-Hilfen und LGBTQ-Organisationen vor Ort. So sollen Kontakte hergestellt und erhalten werden. Ob die Praxen später weiterhin die Qualitätsstandards erfüllen, soll später durch eine regelmäßige Befragung von Patienten evaluiert werden.
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