Praktika & Labor: So läuft es an den Unis Cynthia Möthrath, 15.03.2021 08:56 Uhr
Die Corona-Pandemie hat uns mittlerweile seit rund einem Jahr im Griff: Auch an den Hochschulen sind die Auswirkungen zu spüren. Während sich der theoretische Unterricht mittlerweile online eingespielt hat, können Praktika die Hochschulen vor Herausforderungen stellen. Dabei ist die praktische Ausbildung für die angehenden Pharmazeuten unerlässlich. Wir haben uns mal umgehört, wie es derzeit an den Unis aussieht.
Eigentlich sollte an der Uni Halle das erste Mal titriert werden, wäre da nicht die zweite Welle gewesen. „Wir haben als Institut im Lockdown vor Weihnachten festgelegt, dass bis Ende März sämtliche Praktika als Online-Veranstaltungen beziehungsweise digital stattfinden sollen“, erklärt Professor Dr. Andreas Hilgeroth. Schon früh hat er sich daher Gedanken gemacht, wie ein Praktikum alternativ ablaufen kann. Um den Studenten auch den praktische Teil ihrer Ausbildung zu ermöglichen, sind die meisten Universitäten kreativ geworden. Nur an wenigen Hochschulen finden derzeit keine Praktika statt.
100 Prozent digital statt vor Ort
In Münster werden zur Zeit grundsätzlich Online-Praktika in Form von Videoaufzeichnungen der Versuche mit weiterführenden Aufgaben durchgeführt. „Ausnahmen sind nur in Einzelfällen möglich, beispielsweise wenn den Studierenden durch das oben genannte Format schwere Nachteile für den weiteren Studienverlauf entstehen würden. Auch in einem solchen Fall finden alle Teile des Praktikums online statt, die nicht zwingend ein Arbeiten in Präsenz erfordern“, erklärt die Hochschule. Auch an der Universität Hamburg finden derzeit keine Praktika statt. „Eine Wiederaufnahme des Praktikumsbetriebs ist für das Sommersemester geplant, sofern es das Corona-Infektionsgeschehen zulässt.“
Die Entscheidung obliegt dabei der jeweiligen Universität selbst – denn je nach Uni sind Abstands- und Hygieneregelungen besser oder schlechter umsetzbar. Die praktischen Inhalte sind für die Ausbildung jedoch unerlässlich: „Sie müssen weiter angeboten werden, weil die Studierenden ansonsten in ihrem Studium nicht voranschreiten könnten“, macht die Freie Universität Berlin deutlich.
Deshalb hat man sich an den meisten Unis umfangreiche Konzepte überlegt. „Bei uns finden alle Praktika statt“, berichtet Professor Dr. Andreas Link, geschäftsführender Direktor des Instituts für Pharmazie an der Uni Greifswald. Allerdings habe man den Umfang der Praktika anpassen müssen, außerdem wird auf kleinere Gruppen gesetzt, um die Abstände einhalten zu können. „Von morgens bis abends stehen kleinere Gruppen im Labor“, berichtet er. Dabei sei auch der persönliche Einsatz sehr hoch: Bei 6er- statt 30er-Gruppen würden entsprechend Extrastunden auf dem Plan stehen. „Wir gehen langsam wirklich auf dem Zahnfleisch – ewig können wir das so nicht durchziehen.“
Deutlicher Mehraufwand für alle
Auch die Uni Würzburg berichtet von Hürden: Die Praktika müssten mindestens zwei Mail, manchmal auch drei oder vier Mal durchgeführt werden, um jedem Studierenden die Möglichkeit zu geben, das gegebene Pensum abzuarbeiten. „Damit wird die Zeit aber zum limitierenden Faktor. Deshalb sind wir in Würzburg dazu übergegangen, verschiedene Praktikumsaufgaben virtuell zu bearbeiten.“ Dazu wurden Versuche gefilmt, Übungsaufgaben und Messprotokolle zur Auswertung zur Verfügung gestellt, und die Versuche in Zoom-Meetings ausführlich diskutiert. „Auf diese Weise kann der ganze Stoff ohne Zeitdruck im Praktikum behandelt werden. Es versteht sich, dass dies für alle an der Lehre Beteiligten einen großen Mehraufwand bedeutet.“
Schnelltests sind an den meisten Hochschulen bislang kein Thema, wie auch Professor Dr. Dagmar Fischer von der Uni Erlangen-Nürnberg berichtet. „Bislang spielen sie bei uns keine Rolle.“ Obwohl es sich dabei um eine Momentaufnahme handelt, erachtet sie deren Einsatz für durchaus sinnvoll. „Wir müssen nach Ostern weiterschauen und uns neu auf die Situation einstellen.“ In Erlangen laufen die Praktika wie gewohnt mit FFP2-Masken und ausreichend Abstand weiter. Dabei kommt ein spezielles QR-Code-System zum Einsatz, mit dem Wege zurückverfolgt und der Eintritt ins Labor überwacht werden kann.
Schnelltests in den Startlöchern
Link sieht den Einsatz der Schnelltests zwiegespalten: „Wir haben da schon drüber gesprochen – aber wie ist die Lage bei einem falsch positiven Ergebnis?“ Wenn es sich um ein verschiebbares Praktikum handle, sei es nicht dramatisch denjenigen auszuschließen – vor allem beim Staatsexamen sieht der Pharmazeut die Situation jedoch kritisch: „Eine Wiederholung wäre erst Monate später möglich – hier muss auf jeden Fall der rechtliche Rahmen gesteckt werden.“ Dennoch geht er davon aus, dass im nächsten Semester auf die Schnelltests gesetzt wird. „Wenn dann jemand hustet, muss ich ihn nicht zwingend nach Hause schicken.“ Auch an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz könnten die Tests schon bald zum Alltag gehören: „Das Präsidium der Universität Mainz prüft derzeit in Abstimmung mit dem Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur, ob in den kommenden Wochen gegebenenfalls auch der Einsatz von Schnelltests erfolgen kann.“
An den meisten Unis sieht es derzeit ähnlich aus: Detaillierte Hygienekonzepte einschließlich Lüftungszeiten und Zutrittskontrollen, notwendige Praktika in Kleingruppen mit Abstand und eine große Portion Disziplin stehen an der Tagesordnung – sowohl für Studierende wie auch für Dozent:innen. Einige Hochschulen setzen beim praktischen Unterricht mittlerweile auf virtuelle Labortage und Demonstrationsvideos, so beispielsweise die Christian-Albrechts-Universität in Kiel und die Uni Bonn. „Dies stellt einen erheblichen Mehraufwand für alle Lehrenden dar, wird aber von den Studierenden sehr positiv bewertet. Durch dieses Konzept können die essentiellen praktischen Inhalte überhaupt nur vermittelt werden. Nach aktueller Planung wird es im Sommersemester so fortgeführt“, erklärt die Kieler Hochschule. Schnelltests kommen hier noch nicht zum Einsatz – sind aber ebenfalls in Planung.
Vielerorts wird auf ein Hybrid-Format zwischen Praktika im Labor und Nachbearbeitung und Auswertung Zuhause gesetzt, beispielsweise in Heidelberg und Marburg. „Auch das peer-to-peer-teaching ist ein Ansatz, den wir gerne weiterverfolgen werden“, erklärt Dr. Dorothea Kaufmann von der Uni Heidelberg. Mindestens einmal die Woche wird an der Hochschule mit dem eigens entwickelten Schnelltest getestet: Es handelt sich dabei um einen Gurgeltest, der am Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg (ZMBH) entwickelt wurde.„All das stellt eine massive Mehrbelastung für alle Lehrenden dar und wir würden uns von der Politik wünschen, dass diese nicht nur gewürdigt, sondern auch entsprechend finanziell unterfüttert wird.“