Gleich bei ihrem ersten Start beim härtesten Triathlon der Welt, dem Ironman Hawaii, lief Julia Gajer auf Rang 6 am Alii Drive ein. Ein Riesenerfolg für die Sportlerin, die erst während ihres Pharmaziestudiums zum Triathlon gekommen ist. Auch wenn sich derzeit alles in ihrem Leben um den Sport dreht, will Gajer nach ihre Profi-Karriere unbedingt in die Pharmazie zurückkehren.
Sportlich sei sie schon immer gewesen, sagt Gajer. Schon als Erstklässlerin war die gebürtige Hannoveranerin im Schwimmverein. „Ich habe das bis zum Abitur durchaus ernsthaft betrieben, hatte aber nicht das Talent für deutsche oder internationale Meisterschaften“, erzählt sie bescheiden. Direkt nach dem Schulabschluss fing Gajer mit dem Pharmaziestudium an. „Das Studium war am Anfang so unglaublich zeitintensiv, dass ich ganze zwei Jahre überhaupt keinen Sport gemacht habe“, erinnert sie sich. Das Sitzen im Hörsaal und beim Lernen, die langen Nachmittage im Labor: „Irgendwann habe ich schlicht den Ausgleich gebraucht“.
Und so hat Gajer angefangen, ein bis zwei Mal die Woche zu laufen, erst allein, dann in einer Laufgruppe des Hochschulsports. In dieser Gruppe waren auch Triathleten. Als die Studentin ihnen von ihrer Jugend als Schwimmerin erzählte, hätten sie gesagt: Wer schwimmen und laufen könne, für den sei Triathlon das Richtige. Radfahren könne schließlich jeder. „So fing alles an“, sagt Gajer.
Während ihres Praktischen Jahrs ging sie für ein halbes Jahr nach Kanada, wo sie an einem Krebsforschungszentrum tätig war. Auch dort fand die Sportlerin Anschluss an Triathleten. Anschließend absolvierte sie sechs Monate in einer Dresdner Apotheke. Nach ihrem Studium entschied sie sich für eine Promotion an der Universität Freiburg in pharmazeutischer Chemie.
In diese Zeit fällt auch die Teilnahme an ihrem ersten Triathlon. Gajer kann sich noch gut daran erinnern: „Auf der Radstrecke gab es ein Gewitter mit Hagel, und ich habe überlegt, ob ich mich lieber unterstellen soll, bin dann aber weitergefahren. Beim Laufen war es nach dem Regen die reinste Schlammschlacht.“ Doch Gajer hat auf Anhieb gewonnen, auch wenn sie die Bedeutung dieses Sieges heute herunterspielt: „Das war ein kleiner Jedermann-Wettbewerb.“
Nach dem ersten Rennen war sie mit dem Triathlonvirus infiziert. Doch ihr Hauptaugenmerk lag zunächst auf der Doktorarbeit. Fast nebenbei lief Gajer zwei weitere Marathons in 2:47 Stunden, gewann den Luzern-Marathon 2010 und wurde Zweite beim München-Marathon 2011.
Die Trainingseinheiten seien aber mit der Zeit immer intensiver geworden. 2011 wurde sie ins Team „Erdinger Alkoholfrei“, das größte und älteste Profiteam in Deutschland, aufgenommen. Im selben Jahr startete Gajer bei ihrem ersten Profi-Rennen, dem Ironman in Roth bei Nürnberg. „Das ist eine sehr schnelle Strecke“, berichtet die Sportlerin. Aber auch die meisterte sie mit Bravour. Das angepeilte Ziel „durchzukommen“ übertraf sie bei Weitem und belegte den zweiten Platz. Und nicht nur das. Gajer absolvierte die Distanz unter neun Stunden, die bei Frauen als „Schallmauer“ gelten.
Das alles lief parallel zu ihrer Promotion. „Mein Tag bestand eigentlich nur aus Uni, Training, Essen und Schlafen“, berichtet sie. Eine absolute Grenzbelastung. „Ich war sowohl physisch als auch psychisch richtig kaputt.“ Heute frage sie sich manchmal, wie sie das überhaupt geschafft hat.
Ende 2011 schloss Gajer ihre Doktorarbeit ab und stand vor der Entscheidung, ob sie als Pharmazeutin durchstartet oder Vollzeitsportlerin wird. „Als Mitglied eines Profiteams ist man in der durchaus komfortablen Lage, sein Geld nicht mit einem anderen Job verdienen zu müssen.“ Und: „Mir war bewusst, dass diese Chance kein zweites Mal kommt.“ Seitdem hat sich Gajer als Profi-Triathletin weltweit einen Namen gemacht.
Nach ihrem Debütrennen über die Langdistanz in Roth konnte Gajer die Serie guter Ergebnisse auch 2012 fortsetzen: Einige Siege bei Mitteldistanzen, ein weiteres Rennen in Roth, ein dritter Platz bei der Ironman-EM in Wiesbaden und ein achter Platz bei der WM in Las Vegas. Gedanklich war sie schon auf dem Weg nach Kona, Hawaii: „Bereits nach meinem ersten Langdistanzfinish in Roth 2011 war das in meinem Kopf, allerdings wollte ich erst hin, wenn ich wirklich bereit bin“, berichtet Gajer.
2014 war es so weit. Gajer wollte den nächsten Schritt in ihrer Karriere in Angriff nehmen: einen Start bei Ironman auf Hawaii, dem ältesten Triathlon über die Langdistanz, bestehend aus 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und 42,2 km Marathonlauf. Und das alles ohne Pause unter härtesten klimatischen Bedingungen. „Auf Hawaii kann es sehr windig sein, sehr schwül und feucht“, berichtet Gajer. Die besten Athleten treten dort in ihrer besten Form an.
Doch vorher musste die Sportlerin erst einmal die Qualifikation schaffen. „Man muss im Vorfeld Punkte sammeln und sich über eine Art Weltrangliste qualifizieren“, erklärt sie. Nur die 35 besten Frauen dürfen beim härtesten, aber gleichzeitig begehrtesten Rennen der Welt starten. Bei ihrem ersten Ironman-Wettkampf auf Hawaii erreichte die Pharmazeutin prompt den sechsten Platz.
Von dem unglaublichen Erfolg angespornt, wollte sie das tolle Ergebnis im Jahr darauf sogar noch toppen. „Meine Ergebnisse im Vorfeld machten mir Mut, das Training lief gut“, berichtet sie. Aber dann sei der Tag völlig in die Hose gegangen. Ab Kilometer 60 habe sie auf dem Rad mit Krämpfen in den Füßen zu kämpfen. „Ich konnte keinen Druck auf die Pedale ausüben“, erinnert sich Gajer an einen der bittersten Tage ihrer Triathlonkarriere. Nach dem Wendepunkt in Hawaii ging es dann mit Pausen zurück. Aber schon in der zweiten Wechselzone musste sie das Rennen endgültig aufgeben.
Auch im vergangenen Jahr lief es für die Sportlerin alles andere als rund. Trotz einiger Erfolge, wie dem Gewinn der Europameisterschaft auf der Mitteldistanz sowie des Ironman Texas, plagte die 34-Jährige eine hartnäckige Reizung der Achilles-Sehne. Sie musste sogar mit dem Training aufhören und durfte fünf Wochen lang überhaupt keinen Sport treiben. Im Herbst 2016 befasste sich Gajer sogar mit dem Gedanken, ganz mit dem Profi-Sport aufzuhören.
„Doch irgendwann habe ich beschlossen, dass ich das Ganze nicht so stehen lassen will“, berichtet sie. Dafür sei ihr der Sport zu wichtig. Zumal im Triathlon der Leistungspeak eher in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre liege. „Ich will es jetzt wirklich wissen“, so Gajer. Seit dieser Entschluss gefallen sei, laufe es sehr gut. Das Ziel: Natürlich der Start beim Ironman Hawaii. Ihren Traum, dort unter die besten Drei zu kommen, hat die Triathletin fest vor Augen. Bis Ende Juli muss sie sich unter die besten 35 Frauen zurück kämpfen, um eine Starterlaubnis zu bekommen. „Es wird kein Selbstläufer, aber verstecken brauche ich mich auch nicht“, sagt Gajer selbstbewusst.
Bis Ende 2015 hat die Pharmazeutin sogar noch stundenweise in einer Apotheke bei Stuttgart gearbeitet. Doch dann ist sie gemeinsam mit ihrem Mann nach Österreich gezogen. Nach ihrer sportlichen Karriere will Gajer jedoch wieder in ihren Beruf einsteigen. Am liebsten würde sie bei der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA) arbeiten und dort als Apothekerin Sportler beraten. Sie könne sich aber auch sehr gut vorstellen, in einer Apotheke oder auch in der pharmazeutischen Industrie tätig zu sein.
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