Arbeitsbedingungen

Polnische Ärzte hungern weiter

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Warschau -

Sie hungern gegen den Hungerlohn: Polnische Assistenzärzte setzen sich gegen schlechte Arbeitsbedingungen zur Wehr. Es seien bereits Kollegen an Erschöpfung gestorben, warnen sie. Am meisten litten aber die Patienten, kritisieren die Nachwuchsmediziner.

Aus Protest hat der angehende Chirurg Marcin Radoch seit fünf Tagen nichts gegessen. Inmitten von Isomatten, Schlafsäcken und Protestschildern campiert der Assistenzarzt mit 19 Kollegen im Erdgeschoss der Warschauer Uni-Kinderklinik. Der Hungerstreik, bei dem die polnischen Nachwuchsärzte rotieren, dauert bereits mehr als drei Wochen und richtet sich gegen Polens unterfinanziertes Gesundheitssystem. „Es gibt zu wenig Personal, zu wenig Geld und Unmengen an Bürokratie“, klagt Marcin. Wegen Überarbeitung sind mehrere Mediziner nach Angaben des polnischen Ärzteverbands in diesem Jahr im Dienst gestorben.

Marcin ist an bis zu 18 Tagen im Monat 24 Stunden am Stück im Dienst und operiert. „Die Gehälter sind so niedrig, dass wir so viel arbeiten müssen, um davon leben zu können“, sagt der Pole, der als Assistenzarzt im zweiten Jahr umgerechnet 520 Euro netto verdient. „Davon kann ich in Warschau schon als Alleinstehender kaum leben“, sagt er. Kollegen, die Kinder zu versorgen hätten, hätten es noch schwerer. „Die Arbeit strengt geistig und körperlich an, außerdem hat man während der Nachtdienste kaum Schlaf“, sagt Marcin. Landesweit erschienen Ärzte bereits erschöpft zur nächsten Schicht. Junge Mediziner klagten gegenüber polnischen Medien sogar, ihr Zustand sei zuweilen schlechter, als der ihrer Patienten.

Der Hungerstreik der Nachwuchsärzte wird auch vom Verband medizinischer Berufe (PZM) und Polens Ärztekammer (NIL) unterstützt. „Ein überarbeiteter Arzt ist wie gar kein Arzt“, schrieb der NIL-Vorsitzende Maciej Hamankiewicz in einem Brief an die hungernden Ärzte. Mediziner in Städten wie Breslau (Wroclaw), Krakau (Krakow) und Stettin (Szczecin) schlossen sich den Warschauer Kollegen an.

Sie fordern Polens Regierende auf, die unter dem Durchschnittslohn liegenden Assistenzarzt-Gehälter anzuheben. Am meisten dränge aber die Aufstockung der Ausgaben für das Gesundheitssystem. Diese müssten binnen drei Jahren statt bisher 4,7 Prozent 6,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen, fordern die Mediziner. „Das ist in anderen EU-Ländern der Mindestdurchschnitt“, sagt Marcin.

„Wir kämpfen nicht nur für uns, sondern vor allem für die Patienten“, erläutert er. Sie seien die wahren Leidtragenden. „Es ist nicht normal, dass Kranke nicht richtig versorgt werden können, weil es nicht genug Ärzte und Krankenschwestern gibt, die sich um sie kümmern können“, sagt er. Den Assistenzärzten zufolge kommen in Polen auf 1000 Einwohner im Schnitt 24,6 medizinische Angestellte wie Ärzte, Krankenschwestern und Co – eine der EU-weit niedrigsten Quoten. In Deutschland liege die Zahl vergleichsweise bei 61,2, heißt es.

Fehlendes Geld und Personal würden in polnischen Kliniken oft zu langen Wartezeiten führen. Auf eine Grauer-Star- oder Leistenbruch-OP warte man etwa eineinhalb Jahre oder mehr, sagt Marcin. Er bekommt den Frust der Patienten täglich zu spüren. „Sie beschweren sich, dass alles so lange dauert, dass wir keine Zeit für sie haben und es keine Krankenschwestern gibt.“ Und sie hätten Recht, meint er. Seine Patienten würdigen den Hunger-Protest. „Danke für alles, was ihr für uns tut“, steht an einem Blumenstrauß, den eine Patientin ans Protestlager der Ärzte in die Warschauer Klinik gebracht hat.

Der Hungerstreik sei der einzige Weg, um auf sich aufmerksam zu machen, sagt Marcin. Die eigene Gesundheit setzen die jungen Ärzte, die regelmäßig untersucht und ausgewechselt werden, nicht aufs Spiel. Den erhofften Erfolg brachte ihre Aktion bislang nicht. Die Regierung bot lediglich Gespräche an. Solche führen wir seit Jahren, sagt Marcin. „Wir wollen konkrete Vorschläge.“ Doch nach Angaben von Gesundheitsminister Konstanty Radziwill können die Mittel erst bis 2025 aufgestockt werden. Fürs kommende Jahr ist stattdessen eine Kürzung der Gesundheitsausgaben geplant. „Es muss sich jetzt etwas ändern“, protestiert Marcin.

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