Übertrieben euphorisch, zutiefst betrübt - Patienten, die an einer bipolaren Störung erkrankt sind, schwanken zwischen Extremen. Mit moderner Technik will die Dresdner Uniklinik Betroffenen helfen.
In einem Pilotprojekt halten Ärzte per Smartphone und eigens entwickelter App Kontakt zu psychisch Kranken. Die Patienten müssen sich nicht nur jeden Abend selbst einschätzen. Auch Bewegungsmuster per GPS, Aktivitäten, Telefonate und SMS werden erfasst.
In einer manischen Phase sei der Erkrankte praktisch permanent unterwegs, verschicke auch mal 500 SMS am Tag, erklärt Michael Bauer, Direktor der Dresdner Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Das Smartphone könne helfen, so eine manische Phase früh zu erkennen - und den Kontakt zu den Patienten nicht abreißen zu lassen.
Für jeden Patienten wird ein persönliches Smartphone-Profil ermittelt – wie viel er sich in der Regel bewegt, wie viele SMS er verschickt. „Dann definieren wir eine Schwelle“, erklärt Projektleiter Emanuel Severus. Wenn die nach oben oder unten abweiche, bekomme der Arzt eine Nachricht und schließe sich mit dem Patienten kurz - per Anruf, Mail oder SMS.
„Wir wollen den Patienten personalisierte Angebote unterbreiten“, so Severus. Da sei die moderne Technik sinnvoll. „Es wäre sträflich, das links liegen zu lassen.“ Noch gibt es die App nur für die Studie, bei Erfolg soll sie regulär auf den Markt kommen.
Nach Ansicht von Projektleiter Severus ist vor allem die Kenntnis der Hochphasen wichtig, um eine manisch-depressive Störung zu diagnostizieren. Nicht selten würde Ärzten eine bipolare Störung als reine Depression „durch die Lappen“ gehen. Die wenigsten Patienten berichten von sich aus von dem vermeintlichen Hochgefühl. „Weil sie das ja als angenehm erleben.“
Nach Einschätzung der Deutschen Gesellschaft für Bipolare Störungen ist das kein Einzelfall: Oft vergingen von der ersten depressiven Episode bis zu richtigen Diagnose zehn Jahre, hieß es. Rund 800.000 Menschen leiden in Deutschland nach Angaben der Gesellschaft an einer bipolaren Störung.
Das Dresdner Projekt ist Teil eines bundesweiten Forschungsnetzes zu psychischen Erkrankungen, 25 Universitäten machen mit. Das Netz wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit rund 35 Millionen Euro gefördert, zwei Millionen Euro fließen in das Großprojekt der Uniklinik in Dresden. In fünf Studienzentren wird zu bipolaren Störungen geforscht – neben Dresden in Hamburg, Berlin, Bochum und Frankfurt/Main.
Für das Smartphone-Projekt ist Dresden federführend. Die Testphase läuft derzeit mit 40 Probanden, die Studie beginnt in etwa zwei Monaten mit rund 120 Teilnehmern. Noch sucht die Uniklinik Probanden für das Projekt, das anderthalb Jahre dauert. Die Hälfte der Teilnehmer bekommt ein Smartphone, die andere nicht – dann wird verglichen. Das Ziel: „Anzeichen früh zu erkennen und effektiv zu behandeln“, sagt Severus.
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