Pillenhändler wider Willen APOTHEKE ADHOC, 07.03.2009 16:53 Uhr
Im Rems-Murr-Kreis bei Stuttgart sind unbescholtene Bürger ohne Wissen zu illegalen Arzneimittelversendern geworden: Wie die Polizeidirektion Waiblingen mitteilte, hatte eine Bande jahrelang gefälschte Medikamente an Empfänger in der ganzen Welt verschickt und dabei als Absenderadresse willkürlich ausgesuchte Anschriften von unbeteiligten Privatpersonen verwendet.
Der Fall flog auf, als sich Anfang 2007 mehr als 50 Personen bei der Polizei meldeten, die unaufgefordert Briefe und Päckchen mit jeweils 90 Tabletten erhalten hatten. Die Sendungen, denen englische Beipackzettel beigelegt waren und die fast immer Adressen von Privatpersonen in den USA trugen, waren als unzustellbar an die unwissenden Absender zurückgeschickt worden.
Die Analyse der Tabletten ergab, dass es sich um einen in Deutschland nicht zugelassenen Appetitzügler handelte. Auf dem Beipackzettel waren mitunter andere Wirkstoffe angegeben; einige Tabletten enthielten gar keinen Wirkstoff.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart beantragte beim zuständigen Amtsgericht eine Postbeschlagnahme. Innerhalb kurzer Zeit wurden danach allein im Rems-Murr-Kreis rund 18.000 Briefsendungen aus dem Verkehr gezogen, die solche Tabletten enthielten.
Nach intensiven Recherchen konnten die tatsächlichen Versender identifiziert werden: Die Spur führte nach Winnenden, wo Mitte Juli 2007 mehrere Betriebs- und Wohnräume durchsucht wurden. Die Ermittler fanden 800 Kilogramm gefälschter Potenz-, Haarwuchs- und Schlankheitsmittel sowie Versandmaterial und eine große Menge Beipackzettel. Auch in Wien wurden Objekte durchsucht, von denen aus ein Teil der Bande ebenfalls gefälschte Tabletten verschickt hatte.
Der 38 Jahre alte Haupttatverdächtige, ein israelischer Staatsangehöriger, wurde nach zwei Wochengegen Auflagen aus der Untersuchungshaft entlassen und hat sich mittlerweile ins Ausland abgesetzt. Gegen seine 31-jährige Schwägerin sowie zwei weitere Personen wird ermittelt. Zwei weitere Männer aus Wien werden derzeit per Haftbefehl gesucht.
Insgesamt wurden im Zuge der Ermittlungen 1300 Kilogramm gefälschte Medikamente beschlagnahmt, die teilweise in China hergestellt wurden. Die Polizei schätzt den Wert auf acht Millionen US-Dollar (rund 6,3 Millionen Euro).